„Situationselastische“ Sicherheit für ein Land ohne Verantwortung

Das Bundesheer ist für Katastrophen gerüstet – oder auch nicht. Aber was ist mit der militärischen Verteidigung der Unabhängigkeit und Einheit Österreichs?

Geht's noch lächerlicher? Jetzt wird das Verwirrspiel um die militärische Landesverteidigung Österreichs aus den Zeiten der Volksbefragung vom Winter 2013 auch noch fortgesetzt. Die meisten Offiziere sagen: „Nichts geht mehr.“ Der zuständige Minister, Gerald Klug, spricht von ausreichender Kapazität, allerdings nur für „absehbare“ Katastrophen wie Hochwasser und Schnee.

Das muss man sich einmal deutlich vor Augen führen: Die Welt hat es mit einem Flächenbrand nach dem anderen zu tun. Nicht einmal aus Syrien, dem Irak oder der Terrorgefahr – Donnerstag jährte sich der Anschlag auf New York zum 13. Mal – kann sich Österreich ganz ausklinken. Wenige hundert Kilometer östlich gibt es Kriegsgefahr. Die Entwicklung in der Ukraine wenigstens sollte uns bewiesen haben, dass nichts, aber schon gar nichts, absehbar ist.

Wir aber reden vom Katastrophenschutz als der wichtigsten Aufgabe des Heeres. Zwischendurch wird uns versichert, dass dieses den „einsatzwahrscheinlichen militärischen Aufgaben“ gewachsen sei (O-Ton Franz Reißner, Kommandant der Streitkräfte). Das klingt gefährlich nach einer „situationselastischen“ (© Klug) Sicherheit für die Republik.

Allerdings darf bezweifelt werden, dass die „Es wird schon nichts passieren“-Truppe aus Heer und Politik die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Einsatzes rechtzeitig erkennt – vor allem außerhalb der Bürostunden, in denen ja keine Abfangjäger mehr in der Luft sein können. Man erinnere sich an den beginnenden Balkan-Krieg Anfang der 1990er-Jahre. Da „entdeckte“ das Heer einen jugoslawischen Kampfjet über Graz auch erst, als er nicht mehr in Österreich war.

Womit man beim springenden Punkt angelangt ist. Die jetzige Misere von fehlendem Treibstoff und veraltetem Gerät hängt eng mit den Ausgaben für die 2002 angeschafften Eurofighter zusammen. Das führt neuerlich direkt zu der Frage, ob die für den Kauf verantwortlichen Politiker für diese Fehlentscheidung zur Verantwortung gezogen werden können. Eine Frage von gesamtpolitischer Bedeutung – auch für Michael Spindelegger, sollte sich seine Hypo-Lösung für den Steuerzahler als teuerste von allen erweisen. Sie stellt sich aber auch für jene Politiker, welche die sinnlosen und steuergeldfressenden Tunnelbauten zu verantworten haben. Also eigentlich für alle, die das Geld der Steuerzahler beim Fenster hinauswerfen.

Die Antwort lautet eindeutig: Nein. Nein, nicht nur deshalb, weil eine Anklage auf Untreue vom Nationalrat beschlossen werden müsste, was unwahrscheinlich ist. Politiker von SPÖ und ÖVP waren immer involviert und ohne eine dieser beiden Parteien gibt es keine Mehrheit. Nein, auch deshalb, weil der Nationalrat den Kauf der Eurofighter, die Finanzierung der Tunnel, das Hypo-Gesetz usw. beschlossen hat, diese somit „abgesichert“ sind.

Das Parlament trägt also die Verantwortung für Entscheidungen, die sich als veritabler Fehler herausstellen oder wie eben jetzt sogar zur Staatsgefährdung führen können. Es hätte mit Mehrheit den Fehler – das freie Mandat lässt grüßen – verhindern können.

Daran muss man denken, wenn sich etwa die angedrohte Stilllegung der Eurofighter Mitte 2015 bewahrheiten sollte und die falsche Entscheidung nicht mehr wegdiskutiert werden kann.

Die Konsequenzen von Fehlentscheidungen einzelner Minister sind ein Fall für die Rechtswissenschaft. Demokratiepolitisch bedeutender ist der Vorwurf des Verfassungsbruchs, der in den vergangenen Tagen von Offizieren mehrmals erhoben wurde. Am Artikel 9 a(1) der Verfassung gibt es jedenfalls nichts herumzudeuten: „Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung.“

„Inlandsaufgaben“ wie Schneeräumen, die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner jetzt eh gesichert sieht, waren damit ganz sicher nicht gemeint. Auch von einem situationselastischen Eid der Minister und Mandatare auf die Verfassung war nie die Rede.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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