Bernd is back

Der Unruhestifter ist wieder da. Bernd Schilcher will die Schule reformieren.

Schilcher, übernehmen Sie! Mit ihrer Einladung, die Expertengruppe zur Schulreform zu leiten, hat die Bildungsministerin eine glückliche Hand bewiesen: In erster Linie dient sie damit sich selbst, in jedem Fall dem Schulwesen und möglicherweise auch dem früheren steirischen Schulchef. Wer hinter dessen Ernennung Koalitionstaktik vermutet, was leicht fällt, unterschätzt Schilcher. Ein Befehlsempfänger war er nie, und Fachleute wie er sind rar. Seine Rückkehr in die Bildungspolitik ist mehr eine Notwendigkeit als ein Schachzug.

Jetzt betritt der Feuerkopf jene Bühne, die ihm immer schon die liebste war: die der Bundespolitik. Ab sofort kann er wieder in seiner Lieblingsrolle auftreten: als Ritter ohne Furcht und Tadel. Mit wehender Fahne voran, das Visier weit geöffnet und ein feuriges „Mir nach!“ auf den Lippen. Wenn er sich früher aber manchmal umdrehte, fand er sich häufig allein auf weiter Bühne. Dennoch hat er mit seiner – beileibe nicht nur intellektuellen – Anziehungskraft jahrelang Freund und Feind beschäftigt. Als er in den 90er-Jahren mehr Kostenwahrheit für die Schulen predigte und bundesweit verbindliche Lehrerkennzahlen forderte, lautete hüben und drüben das Credo: Der Strom kommt aus der Steckdose und die Schulbudgets vom Finanzminister. Als er wieder einige Jahre später vorschlug, das Schulwesen aus der politischen Umklammerung der Parteien zu befreien und als eine Art staatlicher Sondergesellschaft zu führen, handelte er sich damit bei den großkoalitionären Besitzstandswahrern keine Freunde ein.

Wenn er für die Integration behinderter Kinder kämpfte und Neuerungen in der steirischen Schulorganisation durchsetzte, überforderte er die Vorstellungskraft strukturkonservativer Betonköpfe. Letztlich waren manche nicht unfroh, als sich der erfolgreiche steirische Schulpräsident auf seinen erlernten Beruf, den eines Universitätsprofessors für Zivilrecht, zurückzog. Gastprofessuren im Ausland waren bequemer als sein ewig unruhiger Geist in der Bildungspolitik. Ab sofort würde niemand mehr publikumswirksam die „Defizite einer Fakten- und Formelvermittlungsschule“ beklagen und „mehr individuelle Förderung statt Stoffhuberei“ verlangen. Man konnte sich beruhigt zurücklehnen. Stille herrschte im Bildungsland. Jetzt ist der Unruhestifter wieder da. Schilcher ante portas!

Jeder, der ihn kennt, muss ihm alles Gute wünschen. Und nur ein kleines, besorgtes Postskriptum anbringen: Seit Jahren fehlen der Bildungspolitik weniger die Vorschläge als der Mut, diese auch umzusetzen. Man möchte Bernd Schilcher ein leises „Vestigia terrent“ zuraunen, über das Schicksal von guten Ideen. Die „Traumdeutung“ war ein Ladenhüter, von Loos blieb mehr unverwirklicht als gebaut wurde, Musils „Mann ohne Eigenschaften“ verläuft sich irgendwo im Schweizer Exil, und dem Stephansdom fehlt bis heute der zweite Turm. Jetzt will Bernd Schilcher die Schule reformieren. Man darf ihm die Daumen halten.

Kurt Scholz ist Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien und war langjähriger Wr. Stadtschulratspräsident.


meinung@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2007)

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