Quergeschrieben

Lehrer haben Gefühle – und sie beherrschen zusätzlich ihr Fach

Eine Ergänzung zu Sibylle Hamanns Bild der guten Lehrerpersönlichkeiten: Sie können ihr Fach auch vorzüglich vermitteln und sind von ihm begeistert.

Sehr freundlich schrieb in der gestrigen „Presse“ Sibylle Hamann über Lehrer. (Ich verwende die Berufsbezeichnung Lehrer und meine dabei natürlich Personen beiderlei Geschlechts – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber zur Sicherheit noch einmal extra betont werden soll.) Sibylle Hamann hat recht: Der gute Lehrer nimmt die Persönlichkeit jedes einzelnen der ihm anvertrauten Kinder immer und überall ernst, auch wenn diese noch sehr jung sind und sehr unbeholfen wirken. Und der gute Lehrer ist sich der Verantwortung vor den Kindern und vor der Gesellschaft bewusst, die er mit dem Unterrichten auf sich nimmt.

Beide Tugenden erwirbt der künftige Lehrer einerseits durch die pädagogische Ausbildung und andererseits durch die praktische Erfahrung, die ihm oft bewusst macht: Es ist gar nicht so einfach, dem Ideal dieser Tugenden zu folgen. Im Übrigen gibt es, soweit ich es von mir bekannten Kollegen der pädagogischen Institute an Universitäten höre, auf deren Urteil ich vertraue, bei der Ausbildung der künftigen Lehrer in Hinblick auf die genannten Tugenden noch ziemlich viel Luft nach oben. Übersteigerte Theorie ersetzt leider das, was man, metaphorisch gesprochen, als praktisches Handwerk wirklich benötigt.

Ein Aspekt des Lehrerberufs fehlte mir in Sibylle Hamanns Artikel, und es ist wichtig, gerade auf ihn zu verweisen: Ein Lehrer ist in der Disziplin, die er unterrichtet, an der Hochschule oder Universität hervorragend ausgebildet worden, beherrscht sein Fach vorzüglich, kann es wunderbar vermitteln und ist von ihm begeistert.


Dies ist umso wichtiger, als der alte tradierte Fächerkanon in beunruhigender Weise zu zerfransen droht. Dass sich die Lehrplanersteller von einem Fach wie digitale Kompetenz mehr erwarten als vom Mathematikunterricht, von einem Fach wie Ethik mehr erwarten als von Philosophie, ja sogar von einem Unterricht in einem merkwürdigen Fach namens „Glück“ schwärmen, spricht Bände. Anscheinend hat die Gesellschaft das Vertrauen verloren, dass den Kindern nach einem klassischen Unterricht in Deutsch, in Englisch und wenn möglich noch anderen Fremdsprachen, in Geschichte, in Mathematik, in Naturwissenschaften, in Wirtschaftskunde, in Philosophie, in Musik und Bildender Kunst von kompetenten Lehrern jenes Wissen und Können vermittelt wird, das diesen den Weg zu einem erfolgreiches Leben öffnet. Nur Lehrern, die von ihrem Fach überzeugt sind, gelingt es, erfolgreich gegen diesen Vertrauensverlust anzukämpfen.

Denn das Argument, die technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte machen einen völlig neuen Fächerkanon erforderlich, ist wenig überzeugend. Es ist im Gegenteil so, dass man beim Unterrichten eines gerade erfundenen Faches, das aus einem modischen Trend heraus geboren wurde, immer das schale Empfinden hat, den aktuellen Entwicklungen nachhoppeln zu müssen. Wer hingegen in Geschichte von der Plünderung und Zerstörung Roms im Zuge der Völkerwanderung hört, in Latein Ciceros Konzept eines idealen Staates erfährt oder in Deutsch lernt, wie Goethe in seinem „Faust“ das Motiv des Homunculus, des künstlich erzeugten Menschleins, mit der Idee einer erfolgreichen Naturwissenschaft verknüpft, bekommt zwar uraltes Bildungsgut vorgesetzt und ist trotzdem seiner Zeit voraus.

Der hervorragend ausgebildete Lehrer vermag Querverbindungen zwischen den Fächern und Bezüge klassischen Wissens zu den aktuellen Nachrichten herzustellen. Nicht alle Lehrer einer Schule werden dies perfekt beherrschen. Aber in jeder Klasse sollte mindestens einer unterrichten, der diese Qualitäten erahnen lässt.

Dies ergänzt Sibylle Hamanns Bild der guten Lehrerpersönlichkeit: Sie hat Wissen und Gewissen. Kann sie dies zur Geltung bringen, brauchen wir uns um die Schule nicht zu sorgen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner ist Mathematiker und betreibt gemeinsam mit Kollegen das math.space im
quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2017)

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