Österreichs Welt endet an den Grenzen - da sind wir stolz drauf

Gibt es eine gerechte Sache, für die man auch im Ausland kämpfen kann? Die Spanien-Kämpfer in den 1930er-Jahren glaubten fest daran. Die Kurden heute auch.

Sie kamen aus Frankreich und Italien, Polen, Jugoslawien und aus dem fernen Kanada. 1400 von ihnen kamen aus Österreich. Sie trafen einander in Paris, stiegen in den sogenannten Freiwilligenexpress, der sie über Barcelona nach Albacete brachte. Hier, in der Calle della Libertad, befand sich die legendäre Kommandozentrale der internationalen Brigaden. Hier sammelten sich Linke aus aller Welt, um für die spanische Republik zu kämpfen, gegen General Francos Militärdiktatur. „Unsre Heimat ist heute vor Madrid/Spaniens Bürger steh'n auf der Barrikade/Unsre Brüder sind Bauer und Prolet!“ So sangen sie.

Unter den insgesamt 40.000 Spanien-Kämpfern waren Intellektuelle, Arbeiter, Abenteurer, Stalinisten und Anarchisten. Der sozialdemokratische Regierungspolitiker Julius Deutsch, der Kommunist Hermann Langbein, der später auch Widerstand gegen die Nazis leisten würde, der Prager Journalist Egon Erwin Kisch, der Tiroler Bergbauer Max Bair, über den Kisch ein berühmtes Porträt schrieb. Oder Hans Landauer aus Oberwaltersdorf, der mit 16 von zu Hause weglief, um kämpfen zu gehen.

All diese Männer verteidigten auf spanischem Boden nicht ihr Land, wie Armeen das normalerweise tun, sondern eine Weltanschauung, ein abstraktes Prinzip: die Demokratie. Nicht zum Geldverdienen (wie Söldner aus vergangenen Jahrhunderten oder Frankreichs Fremdenlegionäre), sondern aus innerer Überzeugung, freiwillig.

Genau das dürfe man jedoch nicht, sagt nun die Republik Österreich: „Wer freiwillig für eine organisierte bewaffnete Gruppe aktiv an Kampfhandlungen im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konflikts teilnimmt“, wird ab Anfang nächsten Jahres mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft bestraft.

Nun ist klar, dass dieses Gesetz bloß symbolisch gemeint ist (nur Doppelstaatsbürger werden belangt, und der Entzug des Reisepasses ist keine besonders wirksame Sanktion). Ebenso klar ist, dass man mit diesem Gesetz eine spezielle Gruppe im Visier hat – nämlich die IS-Terroristen. Doch trifft man damit auch alle anderen. Die kurdischen Kämpfer etwa, die sich als Einzige dem Vormarsch der IS-Terroristen entgegenstellen. Mangels eines Staates haben Kurden unterschiedlichste Staatsbürgerschaften (manche auch die österreichische). Was sie nicht daran hindert, derzeit im Namen der gesamten zivilisierten Welt in Syrien und im Nordirak ihr Leben zu riskieren.

Sollte man solches Engagement nicht anerkennen, statt es pauschal zu kriminalisieren? Zumindest, solange es Massenmorde, ethnische Säuberungen und andere brutale Menschenrechtsverletzungen gibt, denen sich keine Polizei, keine nationale Armee, keine internationale Schutztruppe und auch sonst niemand entgegenstellt?

Seinen Bürgern jede Einmischung in ferne Konflikte zu verbieten ließe sich noch rechtfertigen, betriebe Österreich eine hochaktive staatliche Friedenspolitik. Und drängte sich das Land bei jeder Gelegenheit vor, wenn humanitäre Interventionen geplant und Schutztruppen für bedrängte Minderheiten entsandt werden.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Aus den UN-Missionen ziehen wir uns schrittweise zurück. Vom Golan sind wir bereits abgezogen, zu den Kriegen im Irak und Syrien fällt uns nichts ein, den Flüchtlingen, die vor dem IS und ihren Gräueltaten davonlaufen, steht der Staat nicht bei. Unsere Verantwortung endet an unseren Grenzen. Der Rest geht uns nichts an. Da sind wir stolz drauf. Und wer das anders sieht, hat es nicht verdient, Österreicher zu bleiben.

Hans Landauer, der Bursche aus Oberwaltersdorf, glaubte übrigens sein Leben lang an die grenzüberschreitende Solidarität. Nach dem Krieg trat er in Niederösterreich in den Polizeidienst ein. Er diente im UNO-Polizeikontingent auf Zypern, später als Sicherheitsbeamter an der österreichischen Botschaft in Beirut. Heuer im Juli starb er. Er war der allerletzte der 1400 österreichischen Spanien-Kämpfer.

E-Mails an:debatte@diepresse.comZur Autorin:

Sibylle Hamann
ist Journalistin

in Wien.
Ihre Website:

www.sibyllehamann.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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