Die Geburt der Republik mit Jubel, roten Fahnen und zwei Toten

Entgegen der aktuellen Feierstimmung endete der Tag der Ausrufung der Republik vor hundert Jahren in Tumulten und mit Todesopfern und zahlreichen Verletzten.

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Trauer, Jubel, Ungewissheit und ambivalente Gefühle. So etwa könnte man die Gemütslage der Österreicher vor exakt hundert Jahren beschreiben, an dem grauen Novembertag, als die „Republik Deutschösterreich“ ausgerufen wurde. Heute dominieren Feierstunden, Festakte und das dazugehörige Pathos die Gedenkveranstaltungen. Damals lief die Sache nicht ganz so rund, die Feierstimmung kippte bald in Chaos und Gewalt.
Wir kennen von diesem Tag vor allem die Schwarz-Weiß-Fotos der jubelnden Menge vor dem Parlamentsgebäude in Wien. Betrachtet man die Aufnahmen genauer, sieht man eine Menge ausgemergelter Gestalten, Männer in zerlumpten Soldatenkleidern, hohlwangige Frauen, so gut es ging zurechtgemacht. Einige Abordnungen tragen Transparente: „Hoch die Republik“ oder „Hoch die sozialistische Republik“, prominent auf der Rampe der Menge präsentiert, oder „Es lebe die sozialistische Weltrevolution“.


Besonders interessant ist ein Ölgemälde des Genremalers Rudolf Konopa, der diesen denkwürdigen 12. November festgehalten hat. Es ist in Besitz des Wien-Museums. In der farbigen Darstellung sticht ein Meer von roten Fahnen hervor, nur auf den offiziellen Fahnenmasten wehen rot-weiß-rote Fahnen. Wie wir aus Berichten wissen, rissen kommunistische Rotgardisten diese dann herunter und entfernten den weißen Streifen, um die roten Fetzen wieder aufzuziehen. Es gab Schüsse, Verletzte. Einige stürmten das Parlamentsgebäude, es kam zu Tumulten, zwei Menschen wurden totgetrampelt. Die ersten Todesopfer der jungen Republik, der noch viele folgen sollten.
All dies macht deutlich, wie unterschiedlich die Vorstellungen von der Zukunft des Landes waren: Die einen waren im Schockzustand über das Ende der Monarchie. Die anderen wollten ein Zusammengehen mit Deutschland, weil sie nicht an die Existenzfähigkeit des amputierten Staates glaubten. Wieder andere wollten eine Revolution nach sowjetischem Vorbild. Der „Revolution von oben“ folgte glücklicherweise keine „Revolution von unten“, extremistische Elemente konnten sich nicht durchsetzen.

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