Am Herd

Advent in Facetten

Bei uns ist Santa Claus mit seinen Rentieren für den Advent zuständig, am Heiligen Abend übernimmt dann das Christkind.

Unser Adventkalender also. Ein bisschen mitgenommen wirkt er. Die roten Kordeln des Schlittens sind schon ganz ausgefranst, und manche Säcklein hängen schief, weil nur mehr ein, zwei Fäden sie am Filz halten. Als ich ihn aus der Truhe nehme, wo er zwischen Bügelperlensternen und dem tönernen Rentier, den beklebten Kerzenhaltern und den Nikolo-Säckchen aus Jute auf seinen jährlichen Einsatz wartet, überlege ich mir, seit wann wir ihn wohl haben: Hannah muss damals drei oder vier gewesen sein, ein Kindergartenkind mit einem Kinderglauben.

Ich gebe vorsichtig die Schokolade in die Säcklein: Lindt-Täfelchen und Manner-Herzen, Milka-Taler und Schokobananen-Tiere. Früher, erinnere ich mich, habe ich auch manchmal rosa Spangen, glitzernde Haargummis oder Zettelchen dazugegeben: „Einmal Kitzelraufen“ stand da drauf. Oder: „Christkindlmarkt“. Und Hannah und Marlene triumphierten: „Schau, Mama, du musst!!! Schau, Papa, der Weihnachtsmann hat es gesagt!“

Auf dem Kalender sieht man nämlich den Weihnachtsmann. Ich hatte beim Kauf nicht auf das Motiv geachtet, aber seither ist er bei uns für den Advent zuständig. Am Heiligen Abend übernimmt dann das Christkind.


48 Süßigkeiten. Den Adventkalender zu befüllen ist eine ziemlich enervierende Tätigkeit. Ich muss nicht nur 48 Süßigkeiten in 24 Säckchen stecken, ohne sie zu quetschen. Ich muss auch 24 kleine Schleifen binden. Davon kribbeln mir die Füße. Vergangenes Jahr wollte ich mich deshalb davor drücken. Man wird ja schnell nachlässig, wenn die Kinder sich zu Weihnachten nur mehr Geld wünschen und dann in Jeans unterm Christbaum stehen, und darum habe ich geglaubt, ihnen sei das alles nicht so wichtig. Aber dann musste ich am 1. Dezember noch schnell in den Supermarkt laufen. Und ja, einen Adventkranz wollten sie auch.

Heuer war ich rechtzeitig dran. Heuer wird der Advent schön. Wir werden jeden Sonntag eine Menge Kerzen anzünden, so viele, wie es selbst bemalte und beklebte Kerzenhalter gibt, und dazu „Maria durch ein Dornwald ging“ singen, weil es das Lieblingslied von uns Erwachsenen ist, und „Felice Navidad“, weil Marlene und Hannah sich das wünschen. Und zum Schluss werden wir gemeinsam „In der Weihnachtsbäckerei“ schmettern, weil es immer so war, und während ich schon einmal leise die erste Strophe summe, binde ich die allerletzte Schleife. Wie wäre es, wenn ich doch noch ein paar Zettelchen hineinstecken würde? „Einmal Kino“. Oder auch: „Besuch beim Christkindlmarkt“. Und ich würde dann sagen: „Schaut, Kinder! Ihr müsst mit mir ins Kino gehen!!! Das hat der Weihnachtsmann gesagt!“

Vielleicht mache ich das noch.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2017)

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