Am Herd

Sexy war mal: Der BH, das prüde Ding

Der BH ist in den vergangenen zwanzig Jahren von einem sexy Dessous zu einem prüden Ding geworden. Und wo sind eigentlich die Frauen, die oben ohne baden?

Es war einmal das Jahr 1968. Da wählten bei der Wahl zur Miss America ein paar Feministinnen ein Schaf zur Schönheitskönigin und warfen kollektiv ihre BHs in einen Mülleimer. Ob sie die dann anschließend verbrannten oder nicht, ist unter Historikern umstritten, in der Folge gingen jedenfalls weltweit Büstenhalter in Flammen auf. Diese seien „Instrumente weiblicher Folter“, machten unfrei, seien der Stoff gewordene Ausdruck der Unterdrückung durch das Patriarchat, hieß es.

Es waren einmal die 90er-Jahre. Da trug Madonna den BH außen. So ein keckes kegelförmiges Teil, entworfen von Jean-Paul Gaultier, damit ging sie dann auf Tournee. Diese Zeit habe ich selbst miterlebt. Am Strand gingen meine Freundinnen und ich gern oben ohne, endlich klebte nach dem Schwimmen nicht mehr so ein nasses Zeug am Oberkörper. Auch Büstenhalter waren kein Muss, sondern ein Kann, wir nannten sie Dessous, und ich trug sie, wenn ich sexy sein wollte. Nicht dass wir sie damals à la Madonna über die Tops geschnallt hätten. Aber wir ließen gern ein bisschen Spitze hervorblitzen. Rot oder schwarz oder mit lila Schmetterlingen drauf, die Teile waren oft aus leichtem Stoff und auch zur Zierde da. Und ja, die Nippel, wie wir damals die Brustwarzen nannten, sah man manchmal durch. Häufig sogar. Dauernd.

Das war so normal, dass es sogar in US-amerikanischen Serien vorkam, etwa in der eigentlich nicht besonders gewagten Sitcom „Friends“.


Wehe, es drückt sich ein Nippel durch! Aber wir leben ja jetzt. Jetzt muss sich Jennifer Aniston wegen dieser fast zwei Jahrzehnte alten Aufnahmen unangenehme Fragen gefallen lassen und wird in Frauenzeitschriften rauf- und runterzitiert mit ihrer Antwort, sie habe in „Friends“ ja eh einen BH getragen. Jetzt trauen sich nur mehr die ganz Mutigen oben ohne ins Freibad. Und BHs sind längst wieder zu Büstenhaltern geworden: So winzig und selbststehend kann ein Busen gar nicht sein, als dass er nicht von einer starren und garantiert blickdichten Schaumgummischale samt eingenähten Metallreifen in die korrekte Form gedrückt würde. Mit dem Ergebnis, dass sich unsere Brüste nur noch der Größe nach unterscheiden, sonst sehen sie exakt gleich aus: Als trügen wir alle zwei Halbkugeln auf den Rippen.

Ohne diese alles verdeckenden Büstenhalter aus dem Haus zu gehen? Undenkbar! So undenkbar, dass mittlerweile selbstklebende Brustwarzen-Verdecker aus Silikon angeboten werden. So undenkbar, dass nicht einmal ich mich traue, obwohl ich diese drückenden Dinger hasse. Der gesellschaftliche Druck ist zu stark.

Es ist Zeit für die nächste Runde BH-Verbrennen. Ich mache jedenfalls gern mit.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2018)

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