Männer

„Es gehen noch fünf Flieger nach Wien an dem Tag“, schreibt er (weiß ich).
„Es gehen noch fünf Flieger nach Wien an dem Tag“, schreibt er (weiß ich).(c) APA/BARBARA GINDL
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Liebe Männer, ihr müsst unsere Probleme gar nicht für uns lösen. Oft brauchen wir nicht einmal euren Rat. Meistens genügt es, wenn ihr zuhört.

Letztens auf dem Flughafen von La Réunion. Es ist Mitternacht, der Flieger hat vier Stunden Verspätung, ich bin müde, allein und entnervt, vor allem von der Aussicht, den Anschlussflug zu versäumen und dann ewig in Paris auf irgendwelchen Gates herumzuhängen – zum Glück funktioniert das WLAN, und ich sende meinen Kummer in die WhatsApp-Familiengruppe. Marlene schickt mir ein entsetztes Munch-Emoji, Hannah fragt, ob sie morgen Abend für mich Palatschinken backen soll.

Und mein Mann? „Es gehen noch fünf Flieger nach Wien an dem Tag“, schreibt er (weiß ich). Dass der nächste schon um 12.45 Uhr abhebt (weiß ich auch). Dass die Air France mir einen Ersatzflug buchen muss (weiß ich sowieso). „Kann ich helfen?“, fragt er, und ich wundere mich. Was glaubt er für mich tun zu können? Er sitzt in Wien, 8600 Kilometer entfernt, seine Französischkenntnisse sind bescheiden, und das Internet in Wien spuckt auch nicht mehr Infos aus als das auf Reunion. „Alles ist gut“, antworte ich. „Ich komm schon irgendwie heim, mach dir keine Sorgen!“

Allmachtsfantasien. So ist Stephan. Extrem süß. Und extrem nervig. Schmerzt mich die Schulter, kontaktiert er einen Spezialisten und ist sauer, wenn ich mich nicht operieren lassen will. Bin ich unglücklich, ist er verzweifelt, weil er irgendwie glaubt, dafür verantwortlich zu sein (paradoxerweise glaubt er das nur, wenn er nix dafür kann). Und hat eine unserer Töchter Liebeskummer, liegt er Nächte wach und überlegt sich, wie er es hätte verhindern können. Überhaupt will er die Kinder, die Katzen und mich vor aller Unbill bewahren, ob Krankheit, Schmerz oder der Ungerechtigkeit der Welt, und wenn ihm das nicht gelingt, hat er das Gefühl, gescheitert zu sein.

Das macht ihn natürlich fertig.

Das alles ist ihm auch selbst klar. In der Familie nennen wir das seine „Allmachtsfantasien“ und stecken es mit einigem Humor und ein wenig Mitleid weg. Wir wissen, er ist halt so erzogen, als künftiger Mann in der Familie, als Versorger und Ernährer und Beschützer und Haushaltsvorstand, der für alles eine Lösung haben muss. So etwas wird man schwer wieder los.

Auch wenn es also nicht viel hilft, weil die Indoktrination von Kindesbeinen an stärker als jede später angenommene Vernunft ist, schreibe ich es trotzdem: Liebe Männer, ihr müsst keine Probleme für uns lösen, echt nicht. Oft brauchen wir nicht einmal euren Rat. Wir freuen uns, wenn ihr zuhört, wenn ihr Fragen stellt, wenn ihr euch mit uns über diesen Kollegen ärgert und über jenen Handybetreiber schimpft, und ein „Arme, schwarze Katze“ dazwischen ist auch nicht schlecht.
Sonst könnt ihr euch entspannen.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2019)

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