G-Klasse: Ikonografie unserer Tage

Der G hätte ein ganz anderes Auto werden können. So blieb er aber fast der Alte – mit einem neuartigen Mix an Talenten unter der Oberfläche. Originalbauteile im Bild: Reserveradabdeckung, Türgriffe.
Der G hätte ein ganz anderes Auto werden können. So blieb er aber fast der Alte – mit einem neuartigen Mix an Talenten unter der Oberfläche. Originalbauteile im Bild: Reserveradabdeckung, Türgriffe.(c) Werk
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Mit dem Generationswechsel ist die G-Klasse fit für weitere Jahrzehnte. Das setzt ein nahezu völlig neues Auto voraus, dem man das aber bloß nicht anmerken soll. Vieles fühlt sich so archaisch an wie früher.

Es gibt jede Menge Bordentertainment in heutigen Autos, und dann gibt es noch Autos, die bieten selbst Unterhaltungswert. Es sind nicht viele, naturgemäß werden es eher weniger als mehr.

Gepflegte Eigenart und schiere Statur sind Kriterien, die Mercedes' neue G-Klasse für die Kategorie qualifizieren. Richtig unterhaltsam wird's aber erst mit dem Mythos der Baureihe im Rückspiegel – und dem Wissen darüber, welcher Kraftakt gehoben wurde, um den Generationssprung zu verschleiern. Denn im Grunde handelt es sich um ein neues Auto, dem die verehrten Eigenheiten eines alten antrainiert wurden.

Blinkermonumente

Das betrifft den kantigen, archaischen Look ebenso wie kurze Andachten im Alltagsbetrieb: die mit Nachdruck zu betätigenden Türgriffe (zu der Handvoll Teile gehörend, die unverändert vom Vorgänger übernommen wurden), die Zentralverriegelung Marke Fallbeil (nichts für schreckhafte Naturen), die Notwendigkeit, die Türen mit Schmackes ins Schloss zu pfeffern, was vom Auto mit einem anerkennenden Geräusch quittiert wird – Naturburscherlebnis statt verweichlichter Zuziehautomatik. Ikonografie, die den Ingenieuren einiges abverlangte: Um die aufgesetzten Blinkermonumente zu erhalten, musste für den Fußgängerschutz eine Kinematik ersonnen werden, die deren kontrolliertes Abtauchen ermöglicht.

Cockpit: spielt alle Stückln, die von einem Mercedes erwartet werden.
Cockpit: spielt alle Stückln, die von einem Mercedes erwartet werden.(c) Werk

Der Leiterrahmen blieb erhalten, weil dies für einen Offroader immer noch das Beste ist, wurde durch Materialmix mit höherfesten Stählen aber leichter und deutlich steifer, dazu kam eine Einzelradaufhängung mit zwei Querlenkern, die direkt am Rahmen anlanden. Eine mächtige Domstrebe hält der Verwindung stand, wenig überraschend wurde die Kugelumlauflenkung, einst typisch Mercedes, aussortiert. Und das Wichtigste: Die G-Klasse wurde viel breiter, womit es an Bord fühlbar weniger intim zugeht. Für Nostalgie sorgt der massive Haltegriff auf Beifahrerseite – man macht gern Gebrauch davon, wenn etwa eine Darbietung im Gelände ansteht.

Die neue Mercedes-Benz G-Klasse.
Die neue Mercedes-Benz G-Klasse.(c) Werk

Folklore hin oder her – hier ist die G-Klasse eine Macht, und zwar mehr noch als in Zeiten des schmalen Hohlwegefahrwerks. Auf allen Feldern, die Offroad relevant sind, kann es der neue G besser, am meisten dort, wo die Breite beim Absenken des Schwerpunkts hilft: Die maximale Seitenneigung liegt bei 35 Grad, gleich sieben mehr als bislang.

Der neuartige Talentmix sieht auch ein besseres Fahrverhalten auf befestigten Straßen vor. Bei mehr als zweieinhalb Tonnen Gewicht ohne Zuladung empfiehlt sich ein besonnener Umgang, doch für ein paar flottere Kurven ist das Auto schon zu haben, es rollt fein ab, pfeift nicht auf der Autobahn und sortiert zerrütteten Straßenbelag aus der Insassenwahrnehmung. Dabei hielt man sich an Stahlfedern, tüftelte aber eineinhalb Jahre an einem Dämpferalgorithmus, der alle Fahrzustände bestmöglich abdeckt.

Die markanten Blinkerleuchten tauchen beim Crash ab.
Die markanten Blinkerleuchten tauchen beim Crash ab.(c) Werk

Am 2. Mai ist die Produktion des G in Graz angelaufen, die eiligen Versionen haben Vorrang: V8 mit 422 oder gar 585 PS in AMG-Variante – für Förster, die in ihren eigenen Latifundien nach dem Rechten sehen wollen. Doch schon der G 500 ist ein Ereignis mit seinem V8-Klang wie fernes Gewitter. Er ist auch verträglicher abgestimmt als der etwas spitze AMG.

MERCEDES G-KLASSE

Maße. L/B/H: 4817/1931/1969 mm. Radstand: 2890 mm. Kofferraum max.: 1941 Liter. Gewicht ab 2429 kg fahrfertig. G 500 ab 142.490 Euro. V8-Otto-Turbo, 3982 cm3. 310 kW (422 PS), 610 Nm. 0–100 in 5,9 sec. Vmax: 210 km/h. Verbrauch: 11,5–12,1 l/100 km lt. Norm.

G 63 AMG ab 196.180 Euro. V8-Otto-Turbo, 3982 cm3. 430 kW (585 PS), 850 Nm. 0–100 in 4,5 sec. Vmax: 220 km/h. Verbrauch: 13,1 l/100 km lt. Norm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2018)

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