Anflug des Straßen-Asteroiden

Traditionell die höchste Eskalationsstufe der 5er-Baureihe: BMW M5, aktuell mit 600 PS und erstmals Allradantrieb.
Traditionell die höchste Eskalationsstufe der 5er-Baureihe: BMW M5, aktuell mit 600 PS und erstmals Allradantrieb.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Fahrbericht. Nachbar hört mit: Der M5 als extremste Art, 5er zu fahren. Dem bleibt BMW verlässlich treu.

Seit 1984/85 steht das Label für die höchste Eskalationsstufe der 5er-Baureihe, womit der M5 älter als der M3 ist. Mit jeder neuen 5er-Generation darf man somit gespannt sein, was sich BMW einfallen lässt, um die Huldigung durch die Fangemeinde sicherzustellen – freilich unabhängig vom deftigen Leistungsschub, der Ehrensache ist.

Einmal war es die Umstellung vom Reihensechser auf V8, dann auf einen hochdrehenden Zehnzylinder – aus unserer Sicht absoluter Höhepunkt der Baureihe, erst recht in rarer Kombiversion –, bis der Saugmotor vom Turbo-V8 abgelöst wurde. Die aktuelle Generation wartet mit der Novität des Allradantriebs auf.

Naheliegend, denn wir halten mittlerweile bei 600 PS, die der 4,4-Liter-V8 kraft zweier Turbolader schon ab 5600 Touren herausschiebt, und der M5 versteht sich als Hochleistungsgerät ja ebenso wie als mit allem denkbaren Komfort ausgestattete Businesslimousine. Was beide Seiten Kompromisse kostet.

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Logischerweise ist die Geschmeidigkeit der 5er-Reihe nicht vollumfänglich zu haben in einem Auto, das auch bei Ausflügen auf die Rennstrecke bestehen soll. Andrerseits ist das Fünfmeterschiff mit seinen zwei Tonnen Lebendgewicht (mit Ausstattung eher drüber) zu schwer, um auf unserer altbewährten Hausstrecke noch richtig Spaß zu machen. Den kinetischen Impact eines solchen Straßen-Asteroiden kann auch die Karbonbremsanlage um gut 11.000 Euro Aufpreis, wie beim Testexemplar verbaut, nicht wegzaubern.

Dabei hat die M GmbH keinen geringen Kraftakt gestemmt, indem der neue M5 trotz des schwereren Allradantriebs ein paar Kilogramm leichter wurde als der Vorgänger. Und weil der M5 stets ein Füllhorn aller technischen Möglichkeiten des Hauses sein muss, lässt sich auch auf Heckantrieb umschalten. Da dies nur in Verbindung mit deaktiviertem DSC zu haben ist, merkt man schlagartig, welche Kraft da wirklich wütet, und dass der Platzbedarf des munter ausbrechenden Hecks das Format unserer einsamen B-Roads doch eindeutig sprengt. Was aber ist das richtige Geläuf, um den M5 von der Leine zu lassen?

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Wir vermuten, dass sich der eingeschworene (und vermögende) M5-Fahrer da keinen allzu großen Kopf macht, er schöpft aus der Kraft des Möglichen, weniger des Praktizierten, und für Kurzweil ist allenthalben gesorgt. Jeder Kaltstart gerät zur Straßenattraktion, wobei man den eigenen M5 vermutlich nicht auf der Gasse stehen hat. Die Nachbarschaft würde sich nach wenigen Wochen in Selbsthilfegruppen organisieren. Das Plärren aus der Sportabgasanlage während der Drehzahlanhebung mag nicht für alle ein so delikates Klangvergnügen sein. Der M5-Eigner kann (oder muss) sich auch wochenlang Zeit nehmen, die Tiefen des Set-ups zu erkunden.

Ein Kollege errechnete über 1200 Möglichkeiten, Motoransprechverhalten, Getriebe, Dämpfer, Differenziale, Regelsysteme und 4WD/2WD zu kombinieren. Auf zwei Tasten am Lenkrad lassen sich die Einstellungen hinterlegen und abrufen. Zu guter Letzt sind der Klientel Inszenierung und Straßenpräsenz ein Anliegen, weshalb in den Sitzen ein beleuchtetes M5-Signet prangt, weshalb geneigte Passanten – jung, männlich, Ottakring – zwecks Ablichtung sofort das Smartphone zücken.

Der nächste M5, so viel sind wir sicher, wird mit elektrischem Beiwerk kommen. Aktuelle Stromer wie der Jaguar I-Pace setzen schließlich schon jetzt zum Überholen an – zumindest aus dem Windschatten der fahrerischen Ergriffenheit.

BMW M5

Maße: L/B/H: 4965/1903/1473 mm, Radstand: 2982 mm, Leergewicht: ab 1930 kg, Kofferraumvolumen: 530 Liter

Motor: V8-Zylinder-Otto-Biturbo, 4395 ccm, Leistung max.: 441 kW (600 PS) bei 5600–6700 U/min, Drehmoment max.: 750 Nm bei 1800–5600 U/min, 0–100/200 km/h
in 3,4/11,1 sec, Vmax: 250/305 km/h (abgeregelt/offen)
Achtgangautomatik, Allradantrieb, Testverbrauch: 12,8 l/100 km

Preis: ab 149.500 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2018)

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