Enzo Ferrari himself

Enzo Ferrari with a Ferrari car
Enzo Ferrari with a Ferrari car(c) Mondadori via Getty Images
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Ferrari hat vielerlei gloriose Jahrestage, des alten Rennstalls, der Marke, des Formel-1-Einstiegs, aber auch aus dem Leben des Menschen, der dem ganzen Zauber seinen Namen gab.

Lauda hatte noch beide Ohren, leider nicht mehr lang, denn es war schon Juni 1976. Er war regierender Weltmeister und führte haushoch in der laufenden WM, ein echter Gegner war nicht einmal erkennbar.
Ich übernachtete in Nikis luftigem Haus bei Salzburg, in dem Marlene mit großer Beharrlichkeit Randy Newman-Platten spielte und auch um sechs in der Früh klasses Frühstück machte. Das würde sie heute amüsieren: Frühstück um sechs!
In der Garage stand der Jaguar am günstigsten zur Ausfahrt. Am Salzburger Flughafen wartete Kemetinger, der Mann, der dem Niki das Fliegen beibrachte. In einer zweimotorigen Cessna Golden Eagle mit Niki als Copilot ging es nach Bologna, Sante Ghedini holte uns ab, und um neun waren wir im Werk in Maranello.

Niki fuhr hinüber nach Fiorano, um seinen Einsatzwagen für den Grand Prix von Schweden zu überprüfen, ich keilte derweilen im Büro mit Daniele Audetto herum, dem Ferrari-Rennleiter, der zuvor bei Lancia einer meiner Rallye-Kumpel gewesen war.
Das gewaltige Problem, das es zu besprechen galt: Ich war im Auftrag von „Playboy“ unterwegs, sollte ein Portrait des Enzo Ferrari schreiben, garniert mit einem Interview.
Audetto: „Der alte Herr gibt kein Interview für Playboy, das hab ich dir schon am Telefon gesagt. Er hat auch gesagt: Wenn diese Leute zu uns kommen, will ich nichts davon wissen, ich will es überhaupt nicht erfahren.“
Wir Jungen hatten ja keine Ahnung von der unglaublichen Bigotterie des Enzo Ferrari, der es immer ordentlich krachen hatte lassen, diese Dinge wurden erst nach seinem Tod bekannt. Noch glaubte man ihm selbstverständlich seine tiefe Sorge um den Verfall der Moral. Playboy, uggh.
Audetto: „Du könntest ja als Motorjournalist auftreten, das löst das Problem.“
„Aber die Geschichte erscheint trotzdem im Playboy.“
„Er wird es nicht sehen“, sagte Audetto milde, also kann es auch kein Betrug sein, wollte er in typischer Ferrari-Logik ausdrücken.
Wir fuhren nun auch hinüber nach Fiorano, Audetto stelllte mich vor, Motor-Experte, Freund von Niki... und der alte Charmeur lächelte ganz freundlich und sagte, die Freunde von Niki sind auch meine Freunde.
In seinem Tross waren Piero Lardi (Ferraris unehelicher Sohn, der noch ein paar Jahre dunsten musste, bevor er seinen Namen auf Ferrari umschreiben durfte), Cheftechniker Mauro Forghieri und nun eben auch Daniele Audetto. Die Herren schauten zu, wie Niki seine Runden abspulte, blickten auf die Uhren, wiegten die Köpfe und sagten schlaue Sachen.
Die Partie verlagerte sich ins „Cavallino“ vis à vis vom Ferrari-Hauptportal. Das war damals ein nettes Lokal. Die ersten zwei Räume waren fürs Volk, der dritte für Fahrer und die Granden des Rennteams. Im vierten Raum speisten Enzo Ferrari und Piero Lardi, und die Kellner mussten beim Servieren die Tür immer rasch öffnen und schließen.
Zuvor hatte uns Ferrari noch im dritten Raum die Ehre gegeben. Die Hosenträger hielten sein Beinkleid in Brusthöhe. Die Hose war eher luftig geschnitten und erlaubte guten Zugriff, um sich hingebungsvoll zu kratzen, auch mal eine Handvoll hochzuschupfen für den Untergriff. Ich war fasziniert und wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Seine geübte Umgebung hatte Routine im Wegschauen, was sich vor allem dann lohnte, wenn Ferrrari ein fast leintuchartiges Ding aus der tiefen Hosentasche zog, um nach gewaltigem Räuspern hineinzuspucken, und zwar nachdrücklich, mit Nachschlag.
Bis ich begriff: Ferraris Tross hat sich so gut dran gewöhnt, dass auch diese Art von Körperlichkeit als Ritual abgehakt wird.

Alles hier läuft über Rituale, selbst das Nicht-Erscheinen zu den Rennen ist ein Bekenntnis. Der tägliche Gang ins Büro, auch an Sonn- und Feiertagen, zu Weihnachten und Neujahr. Er duzt seine Vertrauten, sie siezen ihn. Jeden Samstag würde er seinen alten Kumpel Sergio Scaglietti anrufen (nie umgekehrt). Ferrari würde beiläufig fragen: „Was treibst du so, Scaglietti?“, und der würde antworten „Nichts, Ingegnere.“ Daraufhin würden sie sich zum Essen verabreden, unveränderlich an jedem Samstag.
Zur Zeit unserer Geschichte war Ferrari 78 Jahre alt, und sein „echter“ (ehelicher) Sohn Dino seit zwanzig Jahren tot. Dino ist dauernd präsent, in Wort und Bild und brennenden Kerzen, in Widmungsworten und Typennamen von Ferraris.
Enzo Ferrari hat immer wieder gesagt, dass der Tod seines Sohnes das schwerwiegendste Ereignis seines Lebens war. Berühmt ist sein Satz, wonach die Liebe zwischen Mann und Frau zu sehr von sexuellem Begehren überlagert sei, daher „ist die einzige große und tiefe Liebe, die auf dieser Welt möglich ist, die eines Vaters für seinen Sohn.“ Nicht schlecht zurechtgerückt für den Fall, dass man Frauen nimmt, wie’s halt so kommt, so dürfte es bei Ferrari bis ins hohe Alter gelaufen sein.
Der Präsident lässt bitten. (Es ist die „Presidente“-Ära, zuvor sprach man ihn mit Cavaliere und Commendatore an, später fand er seine Lieblings-Anrede „Ingegnere“, als ihn die Universität Bologna endlich zum Ehren-Ingenieur geadelt hatte).
Das berühmte karge Arbeitszimmer: Strenges Dunkelblau an den Wänden, das beklemmend düstere Bild des verstorbenen Sohnes beherrscht den Raum, eine Kerze brennt.
Ferrari kommt auf Lauda zu sprechen, wie sehr er ihn mag. Drei Jahre zuvor hatte er Niki im unterlegenen BRM beim Regenrennen von Monaco im TV gesehen und zu Montezemolo gesagt, den Burschen sollten wir uns holen. Wie wohl Laudas Leben sonst verlaufen wäre?
Man sieht dem alten Herrn eine gewisse Strenge an, allzeit bereit für eine Rolle im Mysterienspiel. Wie sieht er sich selbst?
„Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, verstehe ich mich nicht“, sagt er so tonlos, ohne jede Gestik, dass man nicht als Bonmot werten will, was da rauskommt wie die Resignation vor der Selbstverständlichkeit, nicht alle Dinge im Leben verstehen zu können.
Er ist nicht heikel, da darf man schon fragen, wie er sich die Zukunft Ferraris, der Marke, des Rennstalls, nach seinem Tod vorstellt. Damals war immerhin klar, dass die Persönlichkeit des Alten über jedem Bilanzrechnen des Fiat-Konzerns steht. Aber danach? Würde Fiat eine (mäßig) verlustbringende Firma ewig halten - zur Ehre Italiens und zur Legendenpflege?
Enzo Ferrari: „Ob die Firma weiterleben kann, wird einzig und allein von der politischen Situation abhängen.“ (Vorausahnung der Heuschrecken-Ära?) Aber im übrigen gehöre der Blick in die Zukunft nicht mehr zu seinem Job: „Ich empfinde keine Spannung für das, was nach mir sein wird.“
Welches von seinen Autos hält er für das beste?
„Das, das ich noch nicht gebaut habe“, kommt als rasche Antwort. „Ich habe an allen meinen Autos so viele Fehler gefunden, dass ich nicht von einem einzigen behaupten könnte, es sei gut gewesen. Sie haben alle zu viele Fehler gehabt, alle.“
Wir quatschen noch über die Rennerei und die sagenhafte Überlegenheit Laudas in diesem Jahr (sieben Wochen vor dem Nürburgring-Unfall).
Ferrari schenkt mir ein prachtvolles Buch, einen raren Privatdruck, der später die Grundlage für „Meine schrecklichen Freuden“ abgeben würde, sorgfältig schreibt er die Widmung mit der sagenhaften violetten Tinte.
Niki hat schon eingepackt, der Fiat steht bereit, in Bologna läuft die Cessna warm. Ein Stündchen später segeln wir durch die Berge nach Salzburg hinein ende

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