Nahversorgung: Nur gemeinsam kann es klappen

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Der Diesel widerspricht zunehmend dem Bild einer lebenswerten Stadt und wird wohl auf lange Sicht aus dieser verbannt. Auch die heimische Transportwirtschaft arbeitet an Alternativen.

Fehlt zu Hause die Seife, neigt sich der Taschentüchervorrat dem Ende zu, oder braucht es schnell noch ein paar neue Windeln? In der Stadt sind die Wege bis zur nächsten Ladenzeile kurz. Was Bewohner von Ballungszentren in der Not freut, belastet sie zugleich auch. Denn es bringt Lieferverkehr mit sich – und den Diesel. In Deutschland verspielt der Kraftstoff in den Großstädten derzeit seine Betriebserlaubnis – Verbote werden diskutiert. Ein Umdenken findet aber auch in Österreich statt.

Auftraggeber in der Pflicht

Beim Güterverkehr sitzen alle im gleichen Boot: neben den Logistikern der Einzelhandel, der Onlinehandel und die Fahrzeughersteller. Dass es zu einfach wäre, die Verantwortung für saubere Luft an einzelne Wirtschaftsakteure abzuschieben, ist sich Hubert Krabichler von der großen Drogeriemarktkette DM bewusst: „Die Händler sind Auftraggeber der Logistikdienstleister und daher selbstverständlich mit in der Pflicht bei allem, was Ressourcenschonung und Umweltschutz in der Logistik betrifft.“ Als Mitglied der Geschäftsführung ist er für das Ressort Logistik verantwortlich und kennt daher das spezielle Problem bei Antriebstechniken. Demnach verursachten Technologien, die noch nicht hundertprozentig erprobt sind, „in aller Regel“ Mehrkosten. Das bedeutet im Umkehrschluss für den Ruf des Diesels: Er ist als Kraftstoff bewährt – und ökonomisch vergleichsweise günstig. Ökologisch und gesundheitlich betrachtet, dürfte die Bilanz anders aussehen. Daher setzt die Drogeriemarktkette auch eigene Impulse in Österreich. Krabichler sagt selbstkritisch: „Nur wenn der Auftraggeber dahintersteht und seinen Beitrag leistet, kann der Dienstleister sich in Technologiesprünge wagen.“ Daher habe sich der Einzelhändler, der hierzulande knapp 400 Filialen betreibt, dem Council für nachhaltige Logistik (CNL) angeschlossen.

Informationen:

Dieselverbrauch. Gegenüber dem Jahr 1990 hat sich der Dieselverbrauch laut einer Analyse des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) fast vervierfacht, während er bei Benzin um ein Drittel zurückgegangen ist. 10,5 Milliarden Liter flossen 2017 in die Tanks österreichischer Fahrzeuge, davon rund 8,3 Milliarden Liter Diesel. Der Verein fordert daher „mehr betriebliche Gleisanschlüsse, mehr Lkw-Kontrollen und die Abschaffung der Steuerbegünstigung von Diesel“.

CNL bringt insgesamt 17 große österreichische Firmen aus den Bereichen Handel, Logistikdienstleister und Produktion zusammen, um – so die Eigendefinition – gemeinsam Schritte im Bereich nachhaltiger Logistik zu setzen. Beim Thema Kraftstoff heißt dies konkret: Weniger Diesel und mehr Strom im innerstädtischen Lieferverkehr. DM beteiligt sich beispielsweise aktuell gemeinsam mit Logistikpartner Quehenberger aktuell an Tests zur Elektromobilität. Der Manager gesteht aber auch: „Wir haben für die Belieferung von Stadtfilialen keine speziellen Vorgaben für unsere Logistikpartner.“

Kfz-Bauer liefern Innovationen

Der zündende Funken für eine Dieselalternative dürfte ohnehin woanders zu finden sein. Denn weder Handel noch Transporteure schrauben selbst an Motoren. Vielmehr braucht es eine neue Fahrzeugtechnik – und diese liefern Lkw-Hersteller. Einer, der mit CNL kooperiert, ist MAN. Ziemlich genau vor einem Jahr stellte der Lastwagenbauer auf seinem Werksgelände im Steyr einen Elektro-Lkw vor, der laut MAN rund 100 km zurücklegen kann – in vielen Fällen ausreichend für den innerstädtischen Lieferverkehr. MAN-Vorstandsvorsitzender Joachim Drees prognostiziert mit Blick in die Zukunft sogar das Doppelte: „Je nach Beladung werden E-Trucks leise und sauber bis zu 200 km abspulen.“ Heuer startet die Praxisphase. Außer DM und Quehenberger wollen weitere CNL-Partner den Elektro-Lkw testen.

Was für das Zusammenspiel unterschiedlicher Wirtschaftszweige- und -akteure gilt, trifft auch auf die Elektromobilität selbst zu: Sie allein kann nicht die Lösung sein. Eine lebenswerte Stadt braucht nicht nur alternative Antriebe, sondern auch weniger Transportaufkommen. Hierbei haben Städte dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zufolge derzeit aber eine harte Nuss zu knacken. Grund ist die Digitalisierung. „Auch wenn der Onlinehandel in der Theorie das Potenzial hat, Verkehr zu vermeiden, passiert in der Praxis derzeit leider das Gegenteil“, sagt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer. Denn zu den privaten Einkaufsfahrten käme „zusätzlicher, häufig ineffizient abgewickelter“ Lieferverkehr durch Paketdienste hinzu. Gratzer betont jedoch auch das Potenzial der Digitalisierung – die zukünftige Mobilität brauche „mehr Bits und weniger Beton“.

Politik gefragt

Für eine Stadtlogistik ohne Diesel muss die Politik Leitplanken setzen. Für Krabichler sind gesetzliche Regelungen entscheidend – sei es durch Fahrverbote, sei es durch steuerliche Regulierungen. „Damit ökologisch bewusst handelnde Unternehmen keine Wettbewerbsnachteile gegenüber jenen haben, die einzig und allein auf die Kostenoptimierung schauen“, argumentiert der Logistikmanager.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2018)

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