Gepäcklogistik: Hightech bringt Koffer verlässlich ans Ziel

FLUGHAFEN WIEN AG: ´PROBEBETRIEB SKYLINK´
FLUGHAFEN WIEN AG: ´PROBEBETRIEB SKYLINK´(c) APA/ HANS KLAUS TECHT
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Hochtechnisierte Förderanlagen im Untergrund der Flughäfen sorgen dafür, dass das Reisegepäck ins richtige Flugzeug verladen wird.

Wenn nach dem Einchecken auf einem Flughafen das Gepäck auf dem Laufband verschwindet, plagen manchen Reisenden Bedenken: Wird der Koffer am Zielflughafen ankommen? Wüssten solche Skeptiker, auf welch verschlungenen Wegen das Gepäck im Bauch des Terminals transportiert wird, wäre das Unbehagen vielleicht noch größer. Auf dem Wiener Flughafen etwa schlängeln sich Förderbänder mit einer Länge von knapp 15 Kilometern zwischen 128 Check-in-Schaltern und 14 Gepäckinseln. 50.000 Gepäckstücke werden pro Tag, 20 Millionen im Jahr transportiert.

Voll automatisierte Förderstraße

Geleitet werden Koffer, Reisetasche oder Rucksack mithilfe von rund 6000 Sensoren. Sie entziffern den Strichcode auf dem kleinen Anhänger am Gepäck und stellen danach in Sekundenbruchteilen Weichen, aktivieren Rutschen oder bringen das Gepäck von jenen, die früh eingecheckt haben, in eine Wartezone. Den Großteil des Weges liegt das Transportgut in speziellen Wannen, die das Handling erleichtern und die Gepäckstücke schützen. Die gesamte Anlage läuft vollautomatisch und dadurch mit hoher Sicherheit: Nur 0,56Prozent der Gepäckstücke werden fehlgeleitet, berichtet Clemens Schleinzer von der Pressestelle des Wiener Flughafens: „Damit sind wir einer der zuverlässigsten Flughäfen in Europa.“

Fehlgeleitet heißt keineswegs verloren, sondern nur, dass der Koffer nicht in jene Maschine verladen wird, in der der Passagier sitzt, betont Schleinzer. Häufige Ursache sind abgerissene Gepäcktags. Die Förderanlage in Wien erkennt, wenn ein Anhänger fehlt oder nicht lesbar ist. In diesem Fall wird der Koffer zu einem Mitarbeiter umgeleitet, der anhand von Namensschild, Passagierlisten und Gewicht versucht, den Koffer einem Fluggast zuzuordnen. Vielflieger können den Verlust des Gepäckstags übrigens mit einem elektronischen Label verhindern, das knapp 90 Euro kostet, am Koffer fix befestigt wird und alle Infos auf einem Display anzeigt.

Integriert in die Gepäckförderanlage auf dem Wiener Flughafen ist eine Röntgenstraße, in der jeder Koffer gescannt wird und verdächtige Stücke automatisch zu einer näheren Untersuchung umgeleitet werden. Die Sensoren der Anlage melden die aktuellen Positionen aller Gepäckstücke im System. So kann jederzeit festgestellt werden, wo sich ein Koffer befindet. Beim Einladen in den Gepäckwagen und beim Beladen des Flugzeugs erfolgt ebenfalls eine genaue Erfassung: „Liegt ein Koffer auf dem Zielflughafen nicht auf dem Förderband, wissen wir genau, ob er hier ins Flugzeug geladen wurde oder nicht“, sagt Schleinzer.

Handarbeit in Graz

Wesentlich gemächlicher als in Wien geht es auf kleineren Flughäfen zu. In Graz etwa sind die Förderbänder nur 440 Meter lang. Derzeit werden die Gepäckstücke dort noch händisch sortiert. Sie gelangen vom Check-in in den Rundlauf der Gepäckzentrale. Dort fahren die Koffer im Kreis und werden vom Personal aufgrund der Zielangabe auf den Tags per Hand in die Gepäckwagen verladen. Diese Zeiten sind aber bald vorbei: „Heuer im Sommer stellen wir auf Scan-Betrieb um“, erzählt Hubert Jandl, Leiter des Geschäftsbereichs Airside Management des Grazer Flughafens. Die damit dann mögliche lückenlose Verfolgung der Gepäckstücke durch die Anlage ist eine Forderung der Internationalen Luftverkehrsvereinigung Iata. Bei den großen Herstellern ist dies bereits Standard.

Das deutsche Unternehmen Beumer verspricht etwa bei seinem Gepäckfördersystem Autover davon, dass vom Check-in und Frühgepäckspeicher bis zur Durchleuchtung und Ausschleusung eine hundertprozentige Verfolgung sichergestellt sei. Dieses System ist in seiner neuesten Ausführung in der Lage, Gepäckstücke mit Längen von bis zu 2,5 Metern mit unterschiedlichen Ladungsträgern in ein und demselben Schienensystem zu transportieren. Zu den großen Anbietern im Bereich Flughafenlogistik gehört Siemens Postal, Parcel & Airport Logistics. In 16 der 20 größten Passagierflughäfen weltweit, die jährlich rund 1,1Milliarden Fluggäste abfertigen, finden sich Gepäckförderanlagen dieses Herstellers. Um die Prozessabläufe zu optimieren und Ausfallzeiten zu minimieren, wird dabei, so teilt das Unternehmen mit, bewährte, innovative Hardware mit modernster Software kombiniert. Beispielsweise sind zahlreiche Komponenten der Gepäckförderanlage mit intelligenten Sensoren ausgestattet, die Daten erfassen. Sie werden mittels Cloud-Technologien ausgelesen und etwa für die vorausschauende Wartung verwendet.

AUF EINEN BLICK

Auf dem Flughafen Wien-Schwechat werden pro Tag 50.000 Gepäckstücke verladen. Davon fehlgeleitet werden nach eigenen Angaben lediglich 0,56 Prozent. Die geringe Fehlerquote verdankt sich einem voll automatisierten Fördersystem, das mit Sensoren gespickt ist. Dank Hightech gibt es auch weltweit immer weniger Verspätungen, Beschädigungen oder Verluste. 2017 etwa kamen nach Berechnungen des Genfer IT-Dienstleisters Sita auf tausend Passagiere nur mehr 5,57 fehlgeleitete Gepäckstücke. Das entspricht einem Rückgang von 70 Prozent im Vergleich zu 2007.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2019)

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