Sturm auf Onlinearzt, Ärztekammer prüft Klage

(c) AP (MARK LENNIHAN)
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Seit Montag hat DrEd 600 Männer behandelt, vorwiegend wegen Potenzproblemen und Haarausfall. Der Gesundheitsminister warnt: "Ich sage ganz deutlich: Tun Sie das nicht."

Wien. Die Homepage lässt keinen Zweifel darüber, bei welchen Problemen der Arzt gern hilft: Bei Erektionsstörungen, vorzeitigem Samenerguss, sexuell übertragbaren Krankheiten oder Blasenentzündung. Seit Montag „ordiniert“ der Onlinearzt DrEd virtuell in Österreich und sorgt für Ärger.

„Ich sage ganz deutlich: Tun Sie das nicht“, sagte Gesundheitsminister Alois Stöger (SP) am Dienstag an die Adresse von Patienten. Auch Otto Pjeta, Leiter des Medikamentenreferats der Österreichischen Ärztekammer warnt: „Das ist die unsicherste und gefährlichste Art, sich behandeln zu lassen.“

Im Detail verurteilen Stöger und Pjeta die Behandlungsmethoden: DrEd bietet (naturgemäß) nur Ferndiagnosen an. Das heißt, jeder, der Zugang zum Internet hat, kann eine „Online-Sprechstunde“ anfordern, sich durch einen Fragebogen klicken (Trinken Sie Alkohol, sind Sie beschnitten?) und bekommt am Ende des virtuellen „Gesprächs“ ein Rezept – das er in der Apotheke einlösen kann. Ohne dass einander Arzt und Patient jemals gesehen haben. Und ohne dass Untersuchungen wie eine Blutdruckmessung vom Arzt durchgeführt wurden.

Das Angebot trifft auf rege Nachfrage. „Wir haben eine wahre Nachfrageflut“, sagt Jens Apermann, Sprecher von DrEd. 600Männer und Frauen aus Österreich hätte der Onlinedoktor, hinter dem der deutsche Arzt Jasper Mordhorst und noch zwei Kollegen stehen, schon behandelt. „Zwei Drittel davon waren Männer, die vorwiegend wegen Potenzproblemen und Haarausfall zu uns gekommen sind“, sagt Apermann. Eine Statistik aus Deutschland, wo der Onlinearzt seit November 2012 bisher 10.000 Patienten behandelt habe, zeige ein ähnliches Bild.

Ferndiagnosen verboten?

Unseriöses Handeln will sich das Team rund um DrEd nicht vorwerfen lassen: Auch ein niedergelassener Arzt sei vor falschen Patientenangaben nicht gefeit, sagt Apermann. Den Vorwurf, Medikamentenmissbrauch zu erleichtern, weist er zurück: „Männer haben bei Potenzproblemen eine große Hemmschwelle. Sie decken sich sonst auf dem Schwarzmarkt ein.“ Und: „Wir arbeiten sauberer als andere Ärzte“, behauptet er.

Der Meinung ist die Österreichische Ärztekammer nicht. „Nach österreichischem Ärzterecht sind Ferndiagnosen verboten“, sagt Pjeta. „Wir überprüfen jetzt eine Klage.“ Damit hat Apermann schon gerechnet. „Ich verstehe auch, dass es Angst vor Wettbewerb gibt“, sagt er. Einer Klage sieht er gelassen entgegen. Er beruft sich auf eine EU-Richtlinie zur Patientenmobilität, wonach bei Telemedizin das Ärzterecht jenes Landes zur Anwendung käme, von dem aus der Arzt arbeite. Das sei bei DrEd Großbritannien. Dort seien Ferndiagnosen erlaubt.

In den heimischen Apotheken ist jedenfalls noch kein Rezept des Onlinedoktors eingelangt, sagt Gudrun Reisinger von der Apothekerkammer. Abgelehnt dürfe es ohnehin nicht so einfach werden. „Wenn es die Kriterien des Rezeptpflichtgesetzes (u.a. eigenhändige Unterschrift des Arztes, Anm.) erfüllt, dann müssen wir das Medikament hergeben“, sagt sie. Bei DrEd arbeitet man schon am Ausbau der Dienste. In Zukunft soll es Videokonsultationen geben: „Allerdings nur für schwierige Fälle.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2012)

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