Was von Koksglanz und Kohlengloria übrig blieb

Die letzten Reste: vormalige Kohlenrutschen, Nordbahnhof.
Die letzten Reste: vormalige Kohlenrutschen, Nordbahnhof.(c) Freitag
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Güttl. Gaskoks. Wihoko. Namen, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren das Gelände des Wiener Nordbahnhofs beherrschten.

Namen jener Unternehmen, die da, wo sich heute neue Wohnträume in den Leopoldstädter Himmel schieben, den Umschlag der Festbrennstoffe besorgten, die halb Wien damals wärmten. In Tagen, in denen Heizen noch Ofenfeuerung bedeutete, mit Koks, mit Kohle oder, wenn's billig sein musste, mit aus Kohlenstaub gepressten Briketts.

Bald wird nichts mehr an all das erinnern, verschwunden sind die Kohlenhöfe, die sich vom Praterstern die Lassallestraße entlang aneinanderreihten, sorgsam durchnummeriert von römisch eins bis römisch sechs. „An den Kohlenrutschen“ ist heute nicht mehr als ein Straßenname im Quartier, unweit des Bednar-Parks, und wer sich noch einen ungefähren Eindruck davon verschaffen will, was so eine Kohlenrutsche war, der muss sich schon sehr weit ins Gelände vorwagen, Richtung Norden, der Innstraße zu, um die letzten Reste zu sehen, die in Hochlage geführten Gleise, von denen aus die Güterwaggons ihre Brennstofflast in durch Mauern getrennte, teils auch überdachte Abteile zwischen den Gleisen kippten. Von Koksglanz und Kohlengloria ist kaum etwas geblieben, das wenige überwuchert und zugewachsen von üppigem Gstätten-Grün.

Ja, sie waren eine Macht, die Kohlenbarone, in Zeiten, in denen von Fernheizung keine Rede war, Erdgas nicht zur Disposition stand. Ihr Geschäft schien so sicher, wie eines nur sein kann. Mitte der Siebziger freilich zeichnete sich das nahe Ende ihrer Herrschaft ab: Eine ganze Branche brach Stück für Stück weg, Koks- und Kohlegrößenklassen wie „Brech“ und „Nuss“ verschwanden aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, wie die Festbrennstofföfen aus Wohnungen, Amts- und Schulzimmern verschwanden, und vor den schweren Eisentoren des Nordbahnhofgeländes verkehrte bald keine Tramway mehr, denn unter ihnen hatte sich die U-Bahn durchgegraben. Eine Ära war zu Ende, ein neue, völlig andere begann.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2016)

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