Wie der Koffer zu einem Schimpfwort wurde

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Haben Sie mich gerade Transportbehältnis mit aufklappbarem Deckel genannt, Sie Plastiksackerl?

Handtasche ist kein Schimpfwort. Als Rucksack wird man selten mit bösartiger Absicht bezeichnet. Und „Du Plastiksackerl!“ ist bis jetzt nicht einmal bei der Wahl zum Jugendwort des Jahres aufgetaucht, wo sonst alle möglichen Begriffe auftauchen, die noch kein Jugendlicher jemals verwendet hat. Gut, im Wienerischen gibt es die Dialektversion des Beutels als abwertenden Ausruf, doch ist damit das Skrotum oder auch das männliche Glied gemeint. Tatsächlich führen Transportbehältnisse wie Taschen ein recht überschaubares Doppelleben als Schimpfwörter. Wäre da nicht der Koffer. Denn der wird gerne in pejorativer Absicht verwendet, gerne auch zum Vollkoffer hochgestuft. (Hartschalenkoffer dagegen hört man beim Schimpfen selten.)

Allein, die Karriere des Koffers als Schimpfwort hat nichts mit dem tragbaren Behälter mit aufklappbarem Deckel zu tun, der vom griechischen kóphinos (Tragkorb) kommt. Sondern dürfte sich aus dem Rotwelschen „Kaffer“ entwickelt haben, der für einen blöden Menschen steht. Der kommt vom jiddischen „kafer“, dem Bauern – ohne abwertenden Zwischenton. Es gibt wohl auch eine Verwandtschaft zum „Kaff“, einer trostlosen Ortschaft. Eine andere Herkunft hat dagegen der Begriff „Kaffer“ im Zusammenhang mit afrikanischer Kolonisationsgeschichte – heute hört man den Begriff selten, doch früher wurden damit von Weißen südafrikanische Stämme bezeichnet, inklusive der abwertenden Bedeutung eines Ungebildeten bzw. Barbaren. Der Begriff aus dem kolonial-niederländischen Afrikaans geht wieder zurück auf das arabische Wort „Kāfir“, also Ungläubiger. Wird man heute als Koffer bezeichnet, hat das sprachgeschichtlich damit aber nichts zu tun. In diesem Fall sollte man dennoch einfach kehrtmachen und gehen. Und vielleicht noch einen Koffer stehen lassen – aber das ist wieder eine andere Geschichte . . .

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2019)

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