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Steinhof, Flötzersteig, ein Kaiser und zu viel Erinnerung

Die Zeiten ändern sich? Tenno-Kogo-Stein, Lainzer Tiergarten.
Die Zeiten ändern sich? Tenno-Kogo-Stein, Lainzer Tiergarten. (c) Wolfgang Freitag
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Zwischen Bärlauchpflückern und Wiener Wiederholungszwang: ein Sonntag im Lainzer Tiergarten.

Einer dieser Frühfrühlingssonntage im Lainzer Tiergarten. Vom Nikolaitor geht's vorbei an Sonnenbadenden und Bärlauchpflückern hinauf durch den Hackenbergwald der Baderwiese und also dem Wienerblick zu. Im Osten glänzt die goldene Kuppel der Otto-Wagner-Kirche durchs Geäst; und unwillkürlich tauchen Erinnerungen auf, an Ambitionen, die Steinhofgründe zu verbauen, an Bürgerproteste, an die Volksbefragung des Jahres 1981, in der diese Pläne abgelehnt wurden – und an das seit Jahren tobende erneute Ringen auf der Baumgartner Höhe, diesmal rund um die Nachnutzung und Verdichtung des eigentlichen Krankenhausareals.

Ein Stück rechts der Schlot der Müllverbrennungsanlage am Flötzersteig. Abermals Erinnerungen an Bürgerproteste, jene gegen eine zweite Wiener Westeinfahrt in Hochlage über den Flötzersteig, an die Ablehnung in einer Volksbefragung, 1980 – und daran, dass wir knapp 40 Jahre später drauf und dran sind, trotz Bürgerprotesten Verkehrsprobleme mit der Eleganz von ehedem, nämlich über einen acht Kilometer langen Tunnel unter einem angeblichen Nationalpark, zu entsorgen. Wien im Wiederholungszwang?

Wenig später, oben auf der Baderwiese, der Blick über diese Stadt und die Sehnsucht danach, hier zu stehen und nichts von alldem zu wissen. Hier zu stehen wie 2002 der japanische Kaiser. Naturgemäß nicht der erste Kaiser im vormals kaiserlichen Jagdrevier, aber immerhin: Ein eigenes Denkmal, der Tenno-Kogo-Stein, ist dem – nun ja – Ereignis gewidmet. Nächsten Tags werde ich Näheres dazu lesen, von einem diskretest möglichen Inkognito inklusive Polizeieskorte, Fotografen, Forstingenieur-Entourage, Dolmetscherdienst und ein bisserl japanischem „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“. Die Zeiten ändern sich? Von wegen. Nicht einmal in der Kaiserei.

E-Mails an:wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2019)

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