Der müde Mensch schläft im Theater am besten

Nicht nur die Briten und die EU sind flexibel, was Termine und Stichtage angeht, wir alle sind es, nicht immer freiwillig allerdings.

Für den Gastgeber ist die Lässigkeit, mit der kurzfristig abgesagt wird, ärgerlich bis kränkend, für den Einzelnen kann es befreiend sein, Dinge spontan abzusagen, für die man sich nicht wohl oder munter oder lustig genug fühlt.

Wenn man zum Beispiel sieht, wie viele Menschen im Theater selig einschlafen, Minuten nach Beginn, dann fragt man sich, ob die Tugend der Verlässlichkeit wirklich so sinnvoll ist. Andererseits ist auch ein schlafender Begleiter ein Begleiter und der Theaterschlaf angeblich ein besonders schöner. Wäre der müde Mensch daheim geblieben, hätte er sicher nicht geschlafen, sondern sich darüber geärgert, dass er zu erschöpft war, um auszugehen. Und Ärger hält munter.

Der Spontaneität steht der Zwang entgegen, für gute Veranstaltungen rechtzeitig Karten kaufen zu müssen. Wer weiß schon im November, dass Monate später so ziemlich alles dazwischenkommt und man die Tickets notgedrungen weitergeben muss? Wenigstens freut sich das Umfeld, dem man sie anbietet, obwohl einen manche Antworten ratlos zurücklassen. Sie hätte gerne die Karten, meint eine Kollegin, allerdings an diesem Abend keine Zeit. Er würde gerne in ein Konzert gehen, sagt ein anderer, allerdings nicht von dieser Band. Warum man schon wieder Karten übrig habe, will jemand wissen, dies sei schon auffallend sprunghaft mittlerweile. Danke, wir haben uns dann alle gut unterhalten. Die Karten sind übrigens noch zu haben.

In dieser Zeit der Unentschlossenheit, in der sowohl als auch die beste Option zu sein scheint, wirkt ein schlichtes Ja oder Nein fast ruppig. Es muss aber nicht immer alles mehr sein, als es ist. So kann es etwa auch einfach schön sein, wenn jemand quer über die Straße Hallo winkt und nicht mehr zu sagen hat als genau das. Eine gegenseitige Versicherung, noch auf demselben Planeten zu sein. Das reicht manchmal schon.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2019)

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