Die Grazer Not mit den Jungen

Grazer Jungen
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Die steirische Hauptstadt gibt sich gern modern und dynamisch. Doch mit der jungen Bevölkerung hat die Universitätsstadt und »City of Design« so ihre Not. Auch im Gemeinderatswahlkampf war von Seiten der Parteien wenig Gespür für die Jungen zu merken.

Graz wurde im März 2011 zur „City of Design“ erhoben. Ein internationaler Titel, den auch Metropolen wie Berlin, Peking oder Buenos Aires tragen. Um das zu unterstreichen, wurden grasgrüne, überdimensionale Sitzbuchstaben in der Innenstadt verteilt. Die Botschaft: „Graz ist ein Hotspot.“ Weil Witzbolde einige Buchstaben quer durch die Grazer Altstadt gerollt hatten, wurden die Sitzmöbel, entworfen von der jungen Grazer Designerin Johanna Prechtl, nach wenigen Tagen wieder abtransportiert. „Gefahr im Verzug“, lautete die Begründung der Verantwortlichen. Aus der Freude über eine Auszeichnung von internationaler Bedeutung wurde eine Provinzposse auf kommunalpolitischer Ebene. Erst im Frühjahr 2012 wurden die grünen Lettern wieder aufgestellt.

Graz will jung, modern, urban, dynamisch sein. Alles fürchterliche Schlagwörter, die doch den Grundtenor von Weltoffenheit und Fortschrittlichkeit gemeinsam haben. Häufig gelingt der steirischen Hauptstadt der Spagat zwischen Zukunft und Vergangenheit, allzu oft scheint unter der wohl designten Oberfläche aber doch ein biederer Kern durch. Verdächtig oft dann, wenn die Stadt sich mit jungen Menschen, ihren Wünschen und Problemen auseinandersetzt. Johanna Prechtl, Informationsdesignerin aus Graz, hat die Aufregung um ihre Sitzmöbel nicht ganz verstanden. „Mit jugendlichem Leichtsinn hat ja bekanntlich alles begonnen. Die Art und Weise, wie darauf seitens der Stadt Graz reagiert wurde, halte ich für überstürzt“, sagt sie im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.


Junge Stadt. Graz ist, geht man alleine nach der Bevölkerungsstatistik, eine junge Stadt. 223.071 Menschen leben hier, 26.959 davon sind jünger als 15, die Gruppe der 16- bis 30-Jährigen zählt 49.457 Personen. Zudem gehört man, was die Geburtenrate anbelangt, neben München und Zürich zu den kinderreichsten Städten im deutschsprachigen Raum. An vier Universitäten und zwei Fachhochschulen bilden sich in Graz 50.000 Studenten fort. Für die Stadtpolitik gäbe es eigentlich genug Grund, sich mit jungen Menschen zu beschäftigen. Allein, im Gemeinderatswahlkampf blieben Themen, die das Interesse junger Menschen fesseln, weitgehend undiskutiert.

Lediglich SPÖ und KPÖ setzten auch in ihrer Listenerstellung auf junge Köpfe. Die Grazer SPÖ-Chefin Martina Schröck ist mit 35 Jahren für eine Politikerin noch ein Jungspund. Auf dem guten zehnten Listenplatz schickte sie mit Manuel Oberreiter den Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend Graz in den Wahlkampf. „Viele sind der Meinung, dass die jungen Wähler nicht wahlentscheidend sind, weil sie eine zu kleine Gruppe bilden“, sagt Schröck im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. „Ich bin aber überzeugt, dass es wichtig ist, um diese Gruppe zu werben. Es ist prägend, wo ich mein erstes Kreuzerl gemacht habe.“ 209.805Wahlberechtigte dürfen heute abstimmen, 12.009 davon sind Erstwähler. Bei der zu erwartenden niedrigen Wahlbeteiligung könnten die Jung- und Erstwähler in der Tat einen gewissen Ausschlag geben.


Stadt der Verbote.
Obwohl Graz von der Demografie her eine junge Stadt ist, tun sich Junge in ihr oft schwer. Das aktuell meist diskutierte Thema ist, wie sehr die Stadt das Leben mit Hilfe von Verboten zu regeln versucht. Denn während seiner knapp zehn Jahre im Amt hat Bürgermeister Nagl mit wechselnden Mehrheiten gleich mehrere davon erlassen. Da wäre etwa das Alkoholverbot in der Grazer Altstadt. Da wäre das Gebot gegen Telefonieren in öffentlichen Verkehrsmitteln. Da wären die strengen Regeln für Straßenmusikanten. Da wäre die auf zwei Uhr vorverlegte Sperrstunde bei einigen Lokalen im Grazer Uni-Viertel.

Graz weiß zu oft nicht genau, was es will. Nicht nur im Hinblick auf die Unterstützung junger Menschen. Die steirische Landeshauptstadt ist ein schöner Ort mit hoher Lebensqualität. Aber wenn es um Themen geht, deren Relevanz über die nächste oder gar übernächste Gemeinderatswahl hinausreicht, fehlen zu oft Ideen und Konzepte, die bis zum Ende durchgedacht und umgesetzt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2012)

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