Wäre der Niederschlag über den Alpen nicht auch als Schnee gefallen, wäre die Lage noch viel dramatischer, sagt Reinhold Steinacker, Meteorologe der Uni Wien.
Die Presse: Kann man Hochwasser heute nicht genauer vorhersagen?
Reinhold Steinacker: Großflächige Niederschläge wie die aktuelle Situation kann man gut vorhersagen. Wir haben schon vier Tage vorher das Drama auf uns zukommen sehen. Eine gewisse Unschärfe gibt es, wo genau die Zentren sind. Da kann man nur sehr kurzfristig, im Stundenbereich, vorher warnen.
Worauf basiert die Vorhersagbarkeit?
Auf den normalen Modellen zur Wettervorhersage, es gibt keine eigenen Modelle für Unwetter. Jeder nationale Wetterdienst betreibt Modelle. Wenn nur eines davon dramatische Entwicklungen vorhersagt, weiß man nicht, wie realistisch das ist. Beim aktuellen Fall haben alle Modelle die übergroßen Niederschlagsmengen gezeigt.
Warum kam das Hochwasser für einige Gemeinden doch überraschend?
Die Schwierigkeit liegt bei der Vorhersage vom Niederschlag zum Abfluss des Wassers. Die Schneefallgrenze spielt massiv mit: Je tiefer sie liegt, desto ungefährlicher ist es, weil der Niederschlag als Schnee liegen bleibt. Wenn es dann, wie es leider von Samstag auf Sonntag passiert ist, wärmer wird, regnet es bis in höhere Gebiete. All das fließt gemeinsam mit dem vorher gefallenen Schnee ab.
Was sind Wasserabflussmodelle?
Hydrologen verwenden Niederschlagswerte und -prognosen sowie die Vorgeschichte, ob der Boden schon nass war. Das war diesmal sehr ungünstig, weil schon die zwei, drei Wochen vorher sehr niederschlagsreich waren. Zudem gehen Daten zu Schneebedeckung, Vegetationszustand und Charakteristik der Flüsse ein. Die Donau setzt sich aus vielen Zuflüssen der kleineren Flüsse zusammen: Je weiter flussabwärts man ist, desto „einfacher“ wird die Vorhersage, weil man mehr Vorlaufzeit hat. Aber je kleiner ein Einzugsgebiet ist, desto schwieriger wird es.
Sehen Sie Unterschiede zwischen der Situation von 2002 und der heute?
Die Großwetterlage war sehr ähnlich, damals war der Schwerpunkt aber weiter im Norden. Dazu war 2002 in den Alpen die Schneefallgrenze sehr hoch. Wäre auch diesmal der ganze Niederschlag als Regen gefallen, wäre die Situation noch dramatischer gewesen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2013)