400.000 Gebäude stehen in Österreich in Zonen, die durch Hochwasser, Muren oder Lawinen gefährdet sind. Die Versicherungsbranche fordert eine Pflichtversicherung gegen Katastrophen.
Leben mit der Gefahr – das gilt für die Bewohner von derzeit rund 400.000 Wohnobjekten. So viele stehen nach Angaben des Umweltministeriums nämlich in einer Gefahrenzone – 150.000 in der roten Zone, in der eine ständige Besiedlung wegen kontinuierlicher Gefährdung entweder durch Hochwasser oder durch Lawinen nicht möglich ist. Und 250.000 Gebäude befinden sich in der gelben Zone, die noch ein Restrisiko aufweist.
Neu gebaut werden darf in diesen Zonen nicht mehr – und wenn, nur unter strengen Auflagen. Nicht zuletzt, weil nach dem Hochwasser 2002 in allen Bundesländern Raumordnungsgesetze verschärft wurden. „Es wurden höchstens in bereits bestehenden Siedlungen noch Lückenschlüsse gemacht“, sagt Heinz Stiefelmeyer von der Bundeswasserbauverwaltung.
Manche Länder wollen nun noch schärfere Regeln etablieren – so kündigte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) an, etwa im Rheintal „blaue Zonen“ einzuführen: Flussflächen, die unangetastet bleiben oder sogar zurückgebaut werden sollen, wie es in 2002 besonders betroffenen Ländern teils bereits geschehen ist. Was das für die Eigentümer bedeutet? Baugründe, so Wallner, seien „im Ernstfall bedroht“.
Für die Opfer des aktuellen Hochwassers sind solche Gedanken wohl zweitrangig – für sie geht es um die aktuellen Schäden an ihren Häusern. Hilfe soll vom Bund kommen: Ungeachtet der Budgetlage soll das Geld zur Soforthilfe sowie für weitere Schutzprojekte aufgebracht werden. Das war am Dienstag die Kernbotschaft der Regierungsspitze nach dem Ministerrat. Es seien ausreichend Mittel vorhanden, versicherte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ): „Egal, wie viel notwendig wird.“
Unklar blieb, aus welchen Bereichen diese Mittel kommen werden. Selbst wenn eine Milliarde Euro aufzubringen sei, wovon Faymann aber nicht ausgeht, werde dies eingehalten. Der Katastrophenfonds werde „nicht limitiert“ sein, ergänzte Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP).
Vorerst konnte die Regierung am Dienstag noch nicht einmal annähernd absehen, ob 300 Millionen, 400 Millionen oder eine Milliarde Euro nötig sein würden – die Generali, mit 20 Prozent Marktanteil der führende heimische Versicherer, rechnet in dem von ihr versicherten Bereich mit Schäden von mindestens 50 Mio. Euro.
Für die Versicherungen ist der Katastrophenfonds in seiner jetzigen Form unzureichend. Sie fordern eine Katastrophenpflichtversicherung: „Praktisch jeder hat heute eine Eigenheimversicherung. Ein Katastrophenschutzpaket sollte auch Standard sein“, sagt Erik Eybl, Leiter der Generali-Schadensabteilung. „Da geht es auch um Solidarität.“ Über eine größere Versicherungsgemeinschaft könne man Risikoausgleich und somit vertretbare Prämien für alle schaffen.
Neue Katastrophenversicherung?
In Spanien, Frankreich und der Schweiz gibt es bereits solche Pflichtversicherungen beziehungsweise staatlich unterstützte Versicherungslösungen. Der österreichische Versicherungsverband (VVO) schlägt als Träger einen gemeinnützigen Versicherungsverein vor. Dieser würde den staatlichen Katastrophenfonds deutlich entlasten. Nur für selten auftretende Extremfälle müsste der Staat dann eine Haftungsgarantie übernehmen. Das Konzept liege der Regierung seit 2006 vor. Im Finanzministerium heißt es, dass eine Arbeitsgruppe zu dieser Frage 2008 ergebnislos abgebrochen worden sei – angesichts der Katastrophe wolle man die Diskussion nun wieder beleben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2013)