Kössen und Goldwörth: Zwei Orte räumen auf

Ein Bild, das in vielen Gemeinden derzeit vorherrscht - Müllberge vor den Häusern, wie hier in Kössen in Tirol.
Ein Bild, das in vielen Gemeinden derzeit vorherrscht - Müllberge vor den Häusern, wie hier in Kössen in Tirol.(c) APA/EXPA/MARKUS CASNA
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In zwei der am ärgsten vom Hochwasser betroffenen Orten ist die Betriebsamkeit hoch. Kössen in Tirol und Goldwörth in Oberösterreich räumen auf - ein Lokalaugenschein.

Von Westen in den Osten zieht sich die Zerstörungsschneise des zweiten Jahrhundertshochwassers innerhalb von zehn Jahren. Viele Orte wurd arg in Mitleidenschaft gezogen, so auch Kössen in Tirol und Goldwörth in Oberösterriech. So wie in viellen anderen Gemeinden Österreichs ist jetzt Aufräumen angesagt.

Am Sonntag stand Kössen im Fokus der Öffentlichkeit, als der viele Regen Überschwemmungen und Murenabgänge auslöste. Jetzt scheint wieder die Sonne auf die 4200 Einwohner Gemeinde im Bezirk Kitzbühel im Tiroler Unterland. Fährt man ohne genau zu schauen durch die Straßen Kössens, merkt man kaum mehr etwas von der vom Ausmaß her bisher einzigartigen Hochwasserkatastrophe. Doch hinter der prächtigen Fassade kämpfen Menschen seit dem vergangenen Wochenende um ihre nackte Existenz - und um ihre Zukunft. Kössen nach der Hochwasserkatastrophe ist eine Gemeinde mit zwei Gesichtern.



Bürgermeister Stefan Mühlberger hetzt im Kössener Gemeindeamt von Einsatzbesprechung zu Einsatzbesprechung. Eine erste kleine Spur der Erleichterung kommt auf. "Es ist alles im Laufen. Aus fast allen Häusern wurde das Wasser inzwischen herausgepumpt", erklärte er der Austria Presse Agentur. Stolz berichtet er vom Zusammenspiel der Einsatzkräfte. 150 Feuerwehrleute und 190 Bundesheersoldaten sind rund um die Uhr im Einsatz, davon 160 Rekruten. "Das Bundesherr bleibt auf jeden Fall noch bis zum nächsten Freitag da. Wenn es sei muss, auch länger", meinte Mühlberger.

Der Bürgermeister berichtet vom Problem mit den ungeheuren Müllbergen, die sich in den vergangenen Tagen vor den Häusern ansammelten. Doch dies habe man mittlerweile in den Griff bekommen, indem man überall Transportcontainer aufstellte. "Und die Bauern fahren den Müll direkt von den Häusern zu den Zwischenlagerplätzen", zeigt sich der Ortschef erleichtert.

Freiwillige Hilfe von überall her

Für das Wochenende hätten sich weit über 100 Freiwillige gemeldet, erklärte unterdessen Gemeindemitarbeiter Thomas Mühlberger in einer Mischung aus Freude und einer Spur Fassungslosigkeit ob dieser Welle an Mitmenschlichkeit. Sie kommen von überall her - aus der Steiermark, aus Oberösterreich, aus Bayern. Der Andrang ist so groß, dass Mühlberger manche Helfer am Telefon vertrösten muss und fragt, ob sie nicht etwas später auch Zeit hätten. In der alten Turnhalle der Volksschule stapeln sich die Spenden bis an die Decke. "Und die Leute brauchen es. Vor allem praktische Dinge wie Schuhe, Gummistiefel oder Putzmittel", sagt Elisabeth Pircher vom Roten Kreuz.

"Ohne die Hilfe wären wir verloren", sagt Hedi Plangger, die bei den Überschwemmungen alles verloren hat. Das alte Bauernhaus ihrer Eltern wurde überschwemmt, in ihrem eigenen Haus stand das Wasser im Parterre eineinhalb Meter hoch. "Das ist jetzt ein Rohbau", meint sie. Bundesheer-Rekruten tragen die letzten Habseligkeiten ihrer Eltern aus dem Haus. Hedi Plangger kann die Tränen nicht mehr zurückhalten und sagt: "Wir sind alle noch ziel- und planlos. Es kann nicht mehr geholfen werden als derzeit.

Kössen im Hochwasser am Sonntag
Kössen im Hochwasser am Sonntag(c) APA/ZEITUNGSFOTO.AT/DANIEL LIEBL (ZEITUNGSFOTO.AT/DANIEL LIEBL)

Goldwörth und der vergessene Ortsteil

In Goldwörth kam das Wasser kam in der Nacht auf Montag, am Donnerstag herrschte immer noch Ausnahmezustand. Der Ortsteil Hagenau war mehrere Tage lang eine Geisterstadt, schilderten Bewohner im Gespräch mit der APA. "Als wir am Dienstag dorthin gekommen sind, waren das die ersten fremden Gesichter, die die Leute gesehen haben", so ein Feuerwehrmann.

Die Wiesen in Goldwörth sind grau, vor jedem Haus liegt ein Haufen Sperrmüll, saubere Autos gibt es nicht. Heerscharen von Bewohnern und Helfern, bewaffnet mit Schaufeln und Besen, in Gummistiefeln und bis oben hin mit Lehm bespritzt, ziehen durch die Straßen. Auf dem Weg zum nächsten Haus, aus dem Schlamm und das Hab und Gut der Bewohner herausgeräumt werden müssen.

In Hagenau sind die Gerümpelhaufen noch höher als im restlichen Ort. An den Bäumen, Sträuchern, aber auch an den Mauern sieht man, dass das Wasser hier mannshoch stand. Vor einigen Häusern stehen Zillen im Morast. Sie haben in den vergangenen Tagen wohl bessere Dienst geleistet als Fahrräder oder Autos. Die Straße nach Hagenau ragte am Donnerstag noch wie eine lange schmale Insel aus den überschwemmten Feldern. Wenn zwei Fahrzeuge aneinander vorbeiwollen, ist das eine Herausforderung.

Goldwörth räumt auf.
Goldwörth räumt auf.(c) APA/RUBRA (RUBRA)

Am Montag seien sie sich sehr vergessen vorgekommen, schildert eine Bewohnerin. "Da ist das Wasser bis über die Vordächer gestanden." Aber gekommen sei niemand. Anscheinend habe außerhalb noch keiner erkannt, wie schlimm es den Ortsteil getroffen hat. Am Dienstag kam dann aber Hilfe, Menschen wurden mit Wasser und Nahrung versorgt, einige ließen sich evakuieren, andere kämpften weiterhin um ihre Besitztümer.

"Wenn es schön ist, dann ist es ein Paradies"

"Wir haben die Möbel in der Küche immer weiter aufgebockt, bis sie an der Decke angestanden sind", erinnert sich die Frau an die dramatischen Stunden. "Aber es hat nichts genützt", das Wasser sei höher gestiegen als erwartet. "Jetzt ist alles kaputt." Ihr Lebensgefährte ist ein Alteingesessener Hagenauer. Man habe in den 1960er-Jahren ein schweres Hochwasser erlebt und 2002, erzählt er. Damals habe er vieles neu machen müssen, jetzt sei es wieder ruiniert. Ans Wegziehen denke er schon ab und zu. "Aber wenn es wieder schön ist, dann ist es ein Paradies hier." Also wird er wohl auch diesmal alles wiederaufbauen.

Neben dem Schlamm, der alles überzieht, ist auch die Trinkwasserversorgung ein Problem. Gerade in Goldwörth, von wo viele Oberösterreicher ihr Trinkwasser beziehen, haben etliche Bewohner selbst keines. Ihre Brunnen dürfen nicht verwendet werden, sie könnten durch das Hochwasser kontaminiert worden sein. Landesmilitärkommandant Kurt Raffetseder hat daher am Donnerstag 10.000 Flaschen Mineralwasser an die Bevölkerung übergeben, die vom Netzwerk für Katastropheneinsatz zur Verfügung gestellt worden sind. 300 Feuerwehrleute, 250 Soldaten sowie zahlreiche Helfer von Rotem Kreuz, Samariterbund und Team Österreich standen am Donnerstag in Goldwörth im Einsatz.

(APA)

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