Vom billigen Nachkriegskind zum Kultobjekt

Puch, KTM, Lohner: Heimische Firmen schrieben Zweiradgeschichte. Sie wurden zerschlagen und verkauft, bevor sie mit dem Roller-Boom durchstarten konnten.

Sie hießen Mecky, Ponny, Conny oder – weniger fantasievoll – einfach MS 50 oder Maxi. Lang ist es her, dass jedes Kind in Österreich mit diesen Namen etwas Besonderes verband. Nämlich den ersten fahrbaren Untersatz, den man sich leisten konnte. Es war die Zeit des Wiederaufbaus, des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg, als in Österreich gleich ein paar Firmen Mopeds bauten und damit viel Erfolg hatten. Namen wie Puch oder KTM kennt man heute noch, weil sie wie KTM wiederauferstanden sind, manche, wie die Halleiner Motorenwerke (HMW), sind völlig von der Bildfläche verschwunden.

Anfangs standen praktische Überlegungen im Vordergrund: Nach dem Krieg ging es darum, ein motorisiertes Fahrzeug zu schaffen, das möglichst billig in der Produktion und im Betrieb sein sollte. Die Rechnung ging auf und bald waren die Werke in Mattighofen (KTM), Graz (Puch) und Hallein (HMW) gut ausgelastet. Als nicht nur biedere Familienväter und Briefträger durch die Gegend knatterten, sondern das Moped für die Jugend – damals vor allem für die Burschen – der Traum aller schlaflosen Nächte wurde, konnten sich die Firmen über Auftragsmangel nicht beschweren. Schon in den später 1950er-Jahren wurde Österreich zu einem richtigen Mopedland und dementsprechend entwickelten sich auch die Hersteller gut.

Vor allem das MS 50 von Puch, auch „Post-Frosch“ genannt, und das KTM Ponny avancierten zum Kultobjekt. Jeder junge Mann, der etwas auf sich hielt, hatte in den 1960er- und 1970er-Jahren so eine Blechhummel. Da wurde auch heftig geschraubt und gebastelt, denn die „Frisur“ brachte, wenn auch manchmal nur in der Einbildung, ein paar Stundenkilometer mehr. Chromleisten und Weißwandreifen erhöhten die Schnittigkeit. Das MS 50 erlangte auch in der globalen Zweiradstatistik Berühmtheit: Es wurde von 1954 bis 1982 praktisch unverändert von Steyr-Daimler-Puch hergestellt und ist damit das am längsten gebaute Moped.

Das alles spricht eigentlich für eine florierende Industrie. Aber irgendwann riss die Erfolgssträhne. Der wachsende Wohlstand machte das Auto erschwinglich, Mopeds und Roller, wie der Mecky von KTM oder der L 125 von Lohner, kamen unter die Räder. Es war einfach nicht mehr cool (damals sagte man „klass“), auf zwei Rädern herumzuflitzen. Außerdem machten die findige Konkurrenz im Ausland und hausgemachte Probleme den Firmen schwer zu schaffen.

Puch, 1899 von Johann Puch gegründet, versuchte sich Ende der 1980er-Jahre mit einer massiven Umstrukturierung zu retten. Die gesamte Zweiradproduktion inklusive Fahrräder wurde an den Vespa-Hersteller Piaggio verkauft (dieser reichte die Fahrräder an Cycleurope weiter). Der Rest des Konzerns wurde zerschlagen, große Teile gingen an Magna. Die 1934 gegründete KTM schlitterte 1991 in den Konkurs. 1988 wurde die Mopedproduktion eingestellt. Ein Investorenteam um Stephan Pierer hauchte dem Unternehmen wieder Leben ein, es ist heute bei Gelände- und Straßenmotorrädern führend. Lohner wurde 1970 verkauft.

Der neue Roller-Boom kommt für diese Firmen zu spät, davon profitieren jetzt ausländische Hersteller wie Piaggio und die Japaner. Einige Nostalgiker haben ihr Gefährt aber nicht verschrottet, sondern eingemottet. Sie haben jetzt leicht lachen, denn ihre Oldtimer sind begehrt und erzielen sehr gute Preise. Aber, wer gibt schon ein Kultobjekt in fremde Hände?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2013)

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