Wie der Staat an Süchtigen verdient

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Österreich verdient mehr an Alkohol, Tabak und Glücksspiel, als es für die Folgen der Sucht ausgibt, ergab eine Untersuchung. Pro Jahr gewinnt der Staat damit rund 1,5 Milliarden Euro.

Wien. Alkoholkrankheit kostet den Staat hunderte Millionen Euro. Und auch Krankheitskosten durch Zigarettenkonsum schlagen sich Jahr für Jahr negativ auf die Budgets von Staaten nieder. Es sind Meldungen wie diese, die laufend, von Studien untermauert, an die Öffentlichkeit gelangen. Doch genau daran werden nun massive Zweifel laut – im Gegenteil, der Staat verdient viel mehr an der Sucht, als er zur Kostendeckung dafür aufwendet. Das ergibt zumindest eine Untersuchung, die das Marktanalyse-Institut Kreutzer Fischer & Partner (KFP) durchführte und deren Ergebnisse am Dienstag präsentiert wurden.

Jährlich übersteigen demnach die Einnahmen aus Steuern auf Alkohol, Tabak und Glücksspiel die volkswirtschaftlichen Kosten von Suchtkrankheiten um knapp 1,5 Milliarden Euro. Gemeinsam mit der Abteilung für Suchtforschung an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Med-Uni Wien hat man die Folgekosten von legalem und illegalem Drogenkonsum auf insgesamt 777 Millionen Euro berechnet – dieser Summe stellt man Einnahmen von rund 2,4 Milliarden gegenüber. Einen negativen Saldo gibt es demnach nur bei illegalen Drogen, deren Folgekosten mit 278 Millionen Euro taxiert werden – und der Staat lukriert damit keine Einnahmen. Umgekehrt ist es bei Spielsucht – hier fallen gerade einmal Kosten von zehn Millionen Euro an, dafür gibt es Einnahmen von 270 Millionen.

Schlechte Datenlage

Dass bisherige Studien zu anderen Ergebnissen kamen, liege laut Marktanalyst Andreas Kreutzer an mehreren Faktoren. Zum einen sei die Datenlage in Österreich nicht gut – bei Studien würden viel zu geringe Fallzahlen verwendet. So seien etwa jene fünf Prozent der Österreicher zwischen 15 und 90 Jahren, die laut offiziellen Zahlen alkoholabhängig sind, aus einer Fallzahl von nur 50 hochgerechnet worden: „Jedes Fruchtjoghurt, das in den Markt eingeführt werden soll, wird besser abgefragt als Sucht“, so Kreutzer. Auch müssten manche Kosten in Österreich aus deutschen Statistiken abgeleitet werden.

Zum zweiten gebe es zwei unterschiedliche Modellansätze, Kosten zu berechnen. Während das Lebenszyklusmodell aufzeigt, welche Kosten in der Zukunft durchschnittlich pro Jahr anfallen, listet das einperiodige Modell die Kosten auf, die in einem bestimmten Jahr angefallen sind. Zweiteres Modell beinhaltet allerdings auch die Kosten, die durch den Konsum in der Vergangenheit entstanden sind. Soll heißen, dass etwa im Jahr 2012 Gesundheitskosten für Menschen anfielen, die etwa in den 1960er- und 1970er-Jahren viel geraucht oder getrunken haben. „Nur“, meint Kreutzer, „sind Rauchen und Trinken seit damals stark zurückgegangen und in der Zukunft werden die Kosten dementsprechend niedriger sein.“ Doch um auf möglichst hohe Kosten zu kommen, würden die Auftraggeber von Studien vor allem auf das einperiodige Modell zurückgreifen.

Schließlich kritisiert Kreutzer, dass in der Gesundheitsökonomie unrealistische Rechenansätze verwendet werden. So würden etwa Studien davon ausgehen, dass Alkohol- und Drogentote jahrzehntelang als Arbeitskräfte fehlen, weil sie nicht ersetzt werden können. Sinnvoll sei es aber, nur jenen Produktivitätsverlust von Unternehmen als Berechnungsgrundlage zu nehmen, der entsteht, bis ein erkrankter oder verstorbener Mitarbeiter ersetzt wurde. Auch würde nicht berücksichtigt, dass zahlreiche Suchterkrankungen in Kombination auftreten – stirbt etwa jemand, der Alkohol und Drogen genommen hat und womöglich auch noch spielsüchtig war, werde er, in drei unterschiedlichen Statistiken, drei Mal einzeln gezählt.

„Staat hält Mittel zurück“

Ein Schluss, den die Initiatoren der Studie aus den Ergebnissen ziehen, ist, dass die öffentliche Hand die Einnahmen dazu nützt, Budgetlöcher in anderen Bereichen zu schließen. Und dass der Staat demnach die Finanzmittel für Suchtforschung und -prävention, die eigentlich dringend benötigt würden, zurückhält. Finanzmittel, die unter anderem dazu dienen sollten, eine valide Datenbasis der Suchterkrankungen in Österreich zu erstellen und etwa der Abteilung für Suchtforschung und -therapie, die an der Untersuchung mitwirkte, zugutekommen könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2013)

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