Die Kunst des kaiserlichen Serviettenfaltens

Die Republik sonnt sich im Glanze imperialer Vergangenheit.

Am 20. November kommt das schwedische Königspaar auf Staatsbesuch. Da machen zwei Damen in der Hofburg wieder Überstunden: Das Falten der Servietten für das Bankett ist ein Staatsgeheimnis, das nur diese beiden kennen. Wenn sie die Kaiserservietten falten, müssen alle den Raum verlassen.

Schöner Wohnen

Die Hofburg, die Kaiserappartements, das Sisi-Museum und die Silberkammer – sie gehören zu den meist besuchten Stätten österreichischer Geschichte. Von der ehemaligen Residenz der Habsburger sind heute noch die originalen Amts- und Wohnräume von Franz Joseph und Elisabeth zu besichtigen. Und die Republik macht damit ordentliche Umsätze. Ganz zu schweigen vom hübschen Ambiente, in dem der Präsident der Republik amtiert – Stichwort „Schöner Wohnen“. Karl Renner hatte nach 1918 darauf bestanden, dass der Bundespräsident hier residieren sollte – als deutliches Zeichen des Sieges der Republikaner über den Feudalismus.

„Habsburg-Industrie“

Auch der Boom an Habsburg-Literatur ist ungebrochen. Sisi, Franz Joseph, Kronprinz Rudolf – sie verkaufen sich gut. Kein Detail ist zu klein, um nicht zwischen Buchdeckel gepackt zu werden. Habsburg auf Reisen, Die Seitensprünge der H., H. leere Kassen, Geschenke an das Kaiserhaus, Schwarzbuch der H., Tafeln wie Sisi, Die besten Rezepte aus der kaiserlichen Hofküche, Marie Luise Larisch, Verfemte nach Mayerling, H. Kunstdenkmäler, Allegorie einer Dynastie, So lebten die H., Die Gärten von Schönbrunn, H. die schönsten Residenzen – so lauten die Produkte der „Habsburg-Industrie“ nur weniger Monate.

Dazu kommen immer neue „Erkenntnisse“ über das Rudolf/Mary-Drama zu Mayerling 1889. Auch die „Dissidenten“ der einstigen kaiserlichen Familie geben Stoff für neue Literatur: Johann Orth ist nur einer davon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2007)

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