Ein „Kleiner Inspektor“ wollte ein „Mediengetöse“ auslösen. Der Beamte steht wegen Amtsmissbrauchs und Urkundenunterdrückung vor Gericht.
Wien. Er meinte, dass es noch ungelöste Rätsel im Zusammenhang mit der Entführung von Natascha Kampusch gebe. Also begann der Wiener Polizist, ein „kleiner Inspektor“, wie er sich selbst nennt, auf eigene Faust zu ermitteln. Er versuchte, an DNA-Proben eines bestimmten Kindes zu gelangen, um herauszufinden, ob genau dieses Kind die Tochter von Natascha Kampusch sei. Am Montag stand der 63-jährige Beamte wegen Amtsmissbrauchs und Urkundenunterdrückung vor Gericht.
Die These des Beamten: Kampusch könne während ihrer achteinhalbjährigen Gefangenschaft ein Kind geboren haben. Folgendes will der Beamte befürchtet haben: Etwaige noch in Freiheit befindliche Mittäter des Entführers Wolfgang Priklopil (dieser nahm sich nach der Flucht seines Opfers das Leben) könnten das Kind, eine Volksschülerin, sexuell missbrauchen. Bei dem Kind handelt es sich um ein Mädchen, dessen (wahre) Mutter Priklopil gekannt hatte.
Als der Beamte Anfang 2012 in der in Niederösterreich liegenden Schule des Kindes die Direktorin, eine Lehrerin und schließlich sogar die Mutter des Mädchens ansprach und um eine DNA-Probe bat (er meinte, „ein Taschentuch“ würde schon reichen), flog die Sache auf. Und der Beamte wurde vom Dienst suspendiert.
Urteil erst im August
Er habe sich vor seinen Schnüffeleien einen Vortrag eines FPÖ-Abgeordneten angehört und sei auf Ungereimtheiten des Entführungsfalles aufmerksam geworden, erklärt nun der Beschuldigte. Mit seiner Aktion habe er ein „Mediengetöse“ auslösen wollen.
Auch habe er zufällig den früheren OGH-Präsidenten Johann Rzeszut auf der Straße getroffen und ihn angesprochen. Er habe ja gewusst, dass Rzeszut an der Ein-Täter-These zweifle. Wie berichtet, wird seither auch gegen Rzeszut ermittelt – weil dieser im Verdacht steht, über seinen Kontakt mit dem Beamten unrichtige Angaben gemacht zu haben. Jedenfalls wurde die Verhandlung gegen den Polizisten – dieser bekennt sich des Amtsmissbrauchs schuldig – bis August vertagt. (m. s./APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2014)