Jagen in Wien: „Nirgends schwieriger“

(c) AP (Heribert Proepper)
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Die Jäger der Bundeshauptstadt sehen sich selbst als eine Art Eliteeinheit ihres Berufsstandes. Das Interesse ist groß: Niemals zuvor legten mehr Wiener die Jagdprüfung ab als heute.

Wien steht im öffentlichen Bewusstsein nicht wirklich für im Morgennebel röhrende Hirsche und Jäger, die dem Wild nachstellen. Damit tut man einer gar nicht so kleinen Personengruppe Unrecht: Die Jäger der Bundeshauptstadt leisten im Vergleich zu vielen ihrer Kollegen aus den Ländern nämlich Schwerstarbeit. Und auch der Wiener Bürgermeister vergibt an jene, die es mutmaßlich verdienen, regelmäßig sogenannte Repräsentationsabschüsse in den städtischen Revieren.

Einem hochrangigen Kabinettsmitglied des Innenministeriums wurde – wie berichtet – eine ebensolche Ehre zuteil. Liegt ganz Wien im Jagdfieber? Zumindest die Zahl der Interessenten für die Jagdprüfung steigt deutlich an. „Die Presse“ fragte nach, was es in Wien mit der Jagd auf sich hat, wer wie viel für Abschüsse zahlt (oder auch nicht) und warum am Zentralfriedhof bereits seit Jahrzehnten das ganze Jahr über Schonzeit ist.

Insgesamt erlegten Wiens Jäger im Auftrag der Bezirksämter – diese erstellen die jährlichen Abschusspläne – in der vergangenen Saison 3253 Stück Wild (Auszüge: siehe Grafik). Die Jäger selbst sprechen in diesem Zusammenhang stets von müssen, nicht von wollen. Weil natürliche Fressfeinde selten sind, schreibt das Jagdgesetz zur Verhinderung einer Überpopulation die Bejagung der insgesamt 32 Reviere vor. Ausgenommen: bebaute Regionen, intensiv genutzte Naherholungsgebiete (Donauinsel, Wienerberg, etc.) und Friedhöfe.

„Nirgendwo sonst ist die Jagd schwieriger“, glaubt Andreas Januskovecz, Leiter des Forstamts (MA49), das im Stadtgebiet mit 29 Berufsjägern 100 Quadratkilometer Jagdrevier zu bewirtschaften hat. Zum einen sei es in freier Wildbahn einfacher, das Wild überhaupt aufzuspüren, zum anderen sei dort die Gefahr, Wanderer oder Radfahrer zu verletzten oder gar zu töten, viel geringer. „Es ist alles andere als einfach, im Nationalpark Donauauen auf Wildschwein-Jagd zu gehen und dabei gleichzeitig die Sicherheit von 600.000 jährlichen Besuchern zu garantieren.“

Neben jenen des Forstamts gibt es in Wien nur wenige Reviere, wo noch gejagt wird. Die wichtigsten Eigentümer sind die Bundesforste (Region Sofienalpe) und das Stift Schotten (Region Amundsenstraße). Kleinere Grundbesitzer müssen sich zu sogenannten Jagd-Genossenschaften zusammenschließen, wie beispielsweise in Floridsdorf.

2500 Euro für einen Keiler

Um die Reviere in Wien und den den Quellschutzgebieten in Niederösterreich und der Steiermark (zusätzliche 340 Quadratkilometer) bewirtschaften zu können, verkauft der Magistrat auch Abschüsse an Privatpersonen. Knapp 20 Prozent aller Abschüsse werden so „erledigt“. Zum Wohle des Stadtbudgets. Der Abschuss eines ausgewachsenen Keilers kostet bis zu 2500 Euro, ein kapitaler Hirsch ist für 2000 Euro zu haben. Frischlinge fallen mit 100 Euro pro Abschuss fast schon in die Kategorie Schnäppchen. Zu bekommen ist so eine Lizenz zum Töten über ein schriftliches Gesuch beim Forstamt, das dem Interessenten dann ein Angebot legt. Im Preis inkludiert ist die vorgeschriebene Begleitung durch einen Berufsjäger der Stadt. Nur fünf bis zehn Abschüsse pro Jahr sind „gratis“. So oft nämlich lädt der Bürgermeister Bekannte oder Geschäftspartner auf Repräsentationsabschüsse ein.

Während den „Kunden“ solcher Abschüsse nur Erinnerungen und Trophäen bleiben, verdient die Stadt auch mit dem Fleisch gutes Geld. Einige hundertausend Euro sollen zuletzt durch den Verkauf von Wildbret eingenommen worden sein. Genaueres will die MA49 demnächst dem Gemeinderat berichten.

6000 Wiener jagen in NÖ

Dass sich die Jagd in Wien immer größerer Beliebtheit erfreut, zeigen die Anmeldungen für die Jagdprüfung des Landesjagdverbandes. Nach 50 im Jahr 2006 und 100 im Vorjahr rechnet Landesjägermeister Günther Sallaberger 2008 mit 160 Nennungen. Ein Drittel davon sind Frauen, die langsam in eine traditionelle Männer-Domäne eindringen. Insgesamt waren im Vorjahr 830 Personen im Besitz einer Wiener Jahresjagdkarte. Davon stammten 57 aus dem Ausland. Die meisten Wiener gehen in Niederösterreich auf die Jagd – ihre Zahl wird auf knapp 6000 geschätzt.

Echtes Jägerlatein ist übrigens das Gerücht, dass am Zentralfriedhof regelmäßig zum Halali geblasen wird. Der letzte Schuss fiel dort am 20. Jänner 1987. Damals ließen acht Hasen, drei Kaninchen und zwölf Fasane ihr Leben. „Natürlich haben wir auch heute noch Beschwerden von Grab-Eignern wegen Schäden, die durch verirrtes Wild verursacht wurden“, sagt Erhard Rauch, Geschäftsführer der Friedhöfe Wien. Heutzutage lasse man jedoch die Zeit diese Probleme lösen. „Das Wild lebt ja nicht ewig.“

AUF EINEN BLICK

Auf Wiener Landesgebiet gibt es 32 Jagdreviere. 100 Quadratkilometer davon werden durch das Forstamt (MA49) bejagt. Weitere nennenswerte Reviere gehören etwa den Bundesforsten oder dem Stift Schotten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2008)

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