Kriminal-Statistik aufpoliert? Zahlenspiele und Parteienwirbel

(c) Die Presse (Fabry Clemens)
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SPÖ und FPÖ sprechen von Manipulation, die Innenministerin weist das als „skandalösen Angriff“ zurück. Weiter Aufregung um Ablöse von Ex-Kripo-Chef Frühwirth.

WIEN(stög.). Die Polizei kommt nicht zur Ruhe: Nach mehreren Wochen tauchte wieder ein Mail des abgesetzten Bundeskriminalamtschefs Herwig Haidinger auf. In dem Mail aus dem Jahr 2004 sprach er sich dafür aus, sämtliche Einzeldelikte eines Betrugsfalles in der Kriminalstatistik zu speichern. Das Kabinett des damaligen Innenministers Ernst Strasser (VP) sei aber dagegen gewesen.

Bei dem angesprochenen Fall handelt es sich laut Helmut Greiner aus dem Bundeskriminalamt (BK) um einen Betrugsfall, bei dem rund 40.000 Personen auf ein Zeitungsinserat hin „einen geringen Geldbetrag auf ein Konto bezahlt haben. Die versprochene Gegenleistung wurde nie erbracht“, so Greiner. In der Statistik wurden nicht 40.000 Einzeldelikte gespeichert, sondern eine Serie. „Der Täter hat eine Tathandlung, die Schaltung des Zeitungsinserates, gesetzt“, erläutert Greiner.

Der BK-Offizier führt auch gleich weitere Beispiele für die Praxis der Speicherung an: Werden in einem Haus drei Wohnungen aufgebrochen, würden auch drei Delikte gespeichert, unabhängig davon, ob ein oder mehrere Verdächtige ermittelt werden. Wenn bei einem Einbruch in ein Einfamilienhaus auch das Auto in der Garage aufgebrochen wird, zähle das als eine Tathandlung. Bricht eine Bande von 23 Tätern in einer Nacht 200 Autos auf und stiehlt daraus Wertgegenstände, würden 200 Tathandlungen eingetragen.

Von der „Presse“ befragte Polizisten erklären, die Darstellung des BK „stimme grundsätzlich“, jedoch hätten regelmäßige Änderungen in den Speichermodifikationen die Vergleichbarkeit der Zahlen unmöglich gemacht. So seien die Zahlen „von 2000 nicht mehr mit 2005 und keinesfalls mit 2007 vergleichbar“, sagt ein hoher Beamter. SPÖ und FPÖ werfen dem Innenministerium Fälschung und Manipulation vor. Innenministerin Maria Fekter erklärte hingegen am Donnerstag, „wenn eine einzige Tathandlung gesetzt wurde, wird auch eine Tat angezeigt“. Ziel der Statistik sei eine „objektive Darstellung der Sicherheitsentwicklung. Das wäre nicht der Fall, wenn eine Tathandlung so dargestellt würde, als wäre sie 40.000-mal erfolgt“, sagte Fekter. Die Verbreitung falscher Tatsachen sei „skandalös“.

Nach der Suspendierung des früheren Wiener Kripo-Chefs Roland Frühwirth gingen auch am Donnerstag weiter die Wogen hoch. Die SP-Polizeigewerkschaft stellte Frühwirth einen Rechtsbeistand zur Verfügung. „Es kann nicht sein, dass Kollegen, die an der Polizeispitze Kritik üben, sofort suspendiert werden“, kritisiert Gewerkschafter Josef Sbrizzai. Elmar Marent, geschäftsführender Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, erklärte, wer das „eigene Unternehmen ohne konkreten Beweis in der Öffentlichkeit schlechtmacht“, verletze seine Pflichten als Beamter, habe dienstrechtliche Konsequenzen zu tragen.

Eine Fortsetzung der Kontroversen gibt es heute: Da werden die abgesetzten Spitzenbeamten Haidinger und Max Edelbacher (er war einst Chef des aufgelösten Sicherheitsbüros) öffentlich zu Polizeithemen Stellung nehmen. Donnerstagabend hieß es dann aber, das Innenministerium habe Haidinger die Teilnahme an der Pressekonferenz untersagt. Replik von Marent: Man habe ihn nur auf die Richtlinien des Medienerlasses hingewiesen. Kommentar S. 39

Auf einen Blick

Die Kriminalstatistik gibt Auskunft über die Anzeigen, die in einem bestimmten Zeitraum erfolgt sind. Ein aktuelles Sicherheitslagebild gibt diese Statistik allerdings nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2008)

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