Wiens Bollywood? Bloß ein Werbespot

(c) Sandeep Kumar Film
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Sehr klein, sehr verstreut: Wo ist Wiens indische Community? Wie lebt sie? Fragen wir doch die Inder.

Zuerst merkte man es – Yoga sei Dank – im Fitnessstudio. Dann in der Werbung. Es folgte der Oscar. Und jetzt, da der Trend mitten in der ORF-Lokalprominenz vulgo „Dancing Stars“ (s. u.) angekommen ist, muss man sagen: Indien ist wirklich überall.

Das heißt medial und zumindest so weit es um Klischees geht wie das der neunmalklugen „Frag doch den Inder“-Werbefigur. Im Gegensatz dazu ist das reale Indien in Wien schwer zu fassen. Denn: Little India gibt es in der Stadt nicht. Warum? Fragen wir doch die Inder...
... etwa: Wer ist Indien? Oder besser: Wie groß ist Wiens indischstämmige Bevölkerung? Antwort: klein. Derzeit leben 6227 Inder in Österreich, 4687 davon in Wien. Wobei die Zahl seit 2002 gestiegen ist (s. Kasten). Das liegt weniger am Zulauf von IT-Experten (Klischee!) – eher handelt es sich um Inder, die um politisches Asyl (Stichwort: Kaschmir-Konflikt) ansuchen, wie Stephan Marik-Lebeck von der „Statistik Austria“ weiß. 2008 stellten 355 Inder einen Asylantrag, 2006 waren es 1530.

Dass die Zahl der Wiener Inder klein ist, ist historisch klar: Anders als die Niederlande oder Großbritannien hat Österreich keine Kolonialvergangenheit in dem Subkontinent. Weiters trennt die Sprachbarriere. Wiens indische Bevölkerung ist nicht nur klein, sondern auch zersplittert. „Eine einzige indische Community gibt es nicht“, sagt der 37-jährige Managementberater Sandeep Kumar. Österreichs Inder kommen entweder aus dem Norden (Punjab) oder dem Süden (Kerala), haben weder die gleiche Sprache noch die gleiche Religion (Hinduismus, Sikhs, Katholiken), wie Bernhard Fuchs, Professor am Institut für Europäische Ethnologie an der Uni Wien, betont. Auch wirtschaftlich zerfällt die Community: Gastronomieberufe (oft aus dem Punjab), Kolporteure (Kerala), Pflegeberufe, Mitglieder internationaler Organisationen... Und Kumar definiert noch eine weitere Gruppe: jene, die außerhalb Indiens studierten und deren Lebenswandel eher international als indisch geprägt ist.

Trotzdem spielt die religiöse Zugehörigkeit insgesamt noch eine Rolle – bei Festen, Partys etc. Das gilt auch für das Kastenwesen. „Die einzelnen Kasten“, erzählt Radha Anjali, die in Wien klassischen indischen Tanz unterrichtet, „bleiben nach wie vor unter sich.“
Wo ist Wiens Little India? Auch geografisch festmachen kann man „Indien in Wien“ kaum. Viele (Groß-)Händler wie er, sagt Murli Lalwani, würden im 2. Bezirk leben und arbeiten. Wo man wiederum kaum (wohlhabende) Inder, etwa Mitarbeiter von internationalen Organisationen wie Uno oder IAEO, findet. Auch die Dichte an indischen Restaurants in den Bezirken sechs und sieben macht diese nicht „indisch“. Denn: Inder essen hier kaum. Tenor: Die Küche sei nicht authentisch, eher austauschbar und fast ausschließlich nordindisch. Greifbarer könnte „Indien in Wien“ aber in den nächsten Jahren werden: Die „Hindu Mandir Gesellschaft“ will einen großen Tempel bauen. Derzeit sei man mit der Stadt Wien auf der Suche nach einem Grundstück (eventuell in Floridsdorf). Der jetzige Tempel ist eher bescheiden: ein adaptierter Keller in der Lammgasse (8. Bezirk).
Was ist mit Wiens Bollywood? Dazu muss man sagen: Der (mal aktuelle, mal wieder abgeflaute) Bollywood-Trend ist ein Missverständnis. Sieht man von einer kleinen Fangemeinde (darunter außer Indern auch Türken und Ex-Jugoslawen) ab, hat, so vermutet Claus Tieber, Bollywood-Experte und Filmwissenschaftler an der Uni Wien, kaum jemand Bollywood-Filme tatsächlich gesehen. Vielmehr sei Bollywood ein Synonym für das moderne Indien an sich. Und überhaupt: „Das ist kein Kino, sondern ein Lifestyle-Trend.“ So hat Bollywood hierzulande auch weniger in den Kinos als in den Clubs reüssiert. Zumindest einige Zeit lang: Die Nachfrage nach den Partys, sagt Klub-Ost-Sprecherin Katharina Klamerth, sei zwar da, trotzdem habe man aufhören müssen. Es sei zu Schlägereien und Messerstechereien gekommen. Klamerth vermutet Eifersucht: Manche indische Männer goutierten es nicht, tanzten Frauen mal mit dem einen, dann dem anderen Mann. „Das war echt gefährlich und hat nichts mit Vorurteilen zu tun“, sagt Klamerth, „wir sind schließlich ein Weltmusiklokal.“

Frag doch den Sandeep...

Klischee oder nicht? Was sagen die echten Inder eigentlich zum Werbeklon? Finden sie den Spot wie Tieber „fast rassistisch“, beleidigend? „Werbung ist Werbung ist Werbung“, sagt der indisch-österreichische Geschäftsmann Rakesh Sardana, der auf dem Flughafen Schwechat und in der Wiener City ein kleines Handelsimperium hat, trocken. Sandee Kumar, der neben seinem konventionellen Beruf auch als Bollywood-Regisseur fungiert (siehe Bild) kann dem Werbe-Inder sogar Positives abgewinnen. Zum ersten Mal werde in seinem Job seine kulturelle Identität überhaupt wahrgenommen, bei Problemen hieße es neuerdings oft „Frag doch den Sandeep“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2009)

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