Gleichstellung: Adoptionsrecht für Homosexuelle

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THEMENBILD: ADOPTIONSRECHT F�R HOMOSEXUELLE PARTNER(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Das Höchstgericht entschied, dass man bei der Adoption von Kindern keine Unterschiede zwischen homo- und heterosexuellen Paaren machen darf. Ein weiteres Mal liberalisiert ein Urteil das Recht.

Wien. Das Verbot für gleichgeschlechtliche Paare, gemeinsam ein Kind zu adoptieren, fällt. Zwei Frauen haben den Verfassungsgerichtshof (VfGH) angerufen. Es ist ein weiteres Urteil in einer Reihe von Gerichtsentscheidungen, mit denen das Familienrecht liberalisiert wird. Doch was bedeutet das Urteil? Und gibt es noch weitere Diskriminierungen, die vor Gericht fallen könnten?

1. Wieso entschied der Verfassungsgerichtshof, das Adoptionsrecht auszudehnen?

Seit 2013 ist die Stiefkindadoption erlaubt: Man darf auch als Homosexueller das leibliche Kind des Partners adoptieren. Das führte Österreich aber nicht ganz freiwillig ein: Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ging voraus. Nicht erlaubt war es gleichgeschlechtlichen Paaren aber weiterhin, zusammen das Kind anderer zu adoptieren. Dieses Recht blieb Eheleuten – und damit Mann und Frau – vorbehalten.

Wenn zwei Leute aber gemeinsam für das leibliche Kind eines Partners sorgen können, dann müsse das auch bei zuvor fremden Kindern gehen, meint der VfGH: „Grundsätzliche Bedenken, dass es dem Kindeswohl schlechthin abträglich sei, wenn es mit gleichgeschlechtlichen Eltern aufwächst, sind angesichts der bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen von vornherein ungeeignet, die angefochtene Regelung zu rechtfertigen.“ Auch der „Schutz der Ehe“ oder der traditionellen Familie sei kein geeignetes Argument.

2. Wann treten die neuen Regeln in Kraft, und wie können sie aussehen?

Der VfGH setzte eine Übergangsfrist bis Ende des Jahres. Auch wenn die Politik die Zeit ungenutzt verstreichen ließe, stünde das Adoptionsrecht ab 2016 gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Es steht der Politik aber frei, ein neues Gesetz und Beschränkungen einzuführen. Etwa, dass nur Paare, die in einer Eingetragenen Partnerschaft oder Ehe leben, gemeinsam Kinder adoptieren dürfen. „Diese Möglichkeit gibt es“, sagt Anwalt Helmut Graupner, der die Klägerinnen vor dem VfGH vertrat, zur „Presse“. Theoretisch auch möglich wäre es, das Adoptionsrecht für alle abzuschaffen. Entscheidend ist, dass nach einer Novelle adoptionswillige homo- und heterosexuelle Paare von den Behörden nicht mehr unterschiedlich behandelt werden dürfen. Als Einzelperson durfte man schon bisher Kinder adoptieren.

3. Wieso sind es oft Gerichte, die das Familienrecht liberalisieren, und nicht die Politik?

Die Theorie, dass der VfGH immer mehr zum Ersatzgesetzgeber wird, lässt Gerichtspräsident Gerhart Holzinger nicht gelten. Schließlich könne man Gesetze nur aufheben und nicht beschließen, sagte er am Mittwoch. Freilich waren VfGH-Entscheidungen oft der Motor für neue Regeln: etwa bei der Samenspende für homosexuelle Frauen (die infolge des VfGH-Entscheids aus dem Vorjahr bereits seit Anfang 2015 erlaubt ist, während die Politik noch immer über einem neuen Gesetz brütet). Oder beim jetzt anhängigen Adoptionsrecht. Österreich ist laut Graupner der erste europäische Staat, in dem ein Gericht für das Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Paaren sorgt. In Deutschland ist ein solcher Fall anhängig. In mehreren Ländern, etwa Spanien oder Großbritannien, hat die Politik von sich aus den Weg dafür frei gemacht.

Oft sind es aber auch Urteile der Straßburger EGMR-Richter, die in weiterer Folge Gesetzesaufhebungen durch den VfGH nötig machen.

Und ganz gern lässt die rot-schwarze Koalition auch die VfGH-Richter als eine Art Schiedsrichter bei strittigen Themen entscheiden, was Sache ist. So wollte die SPÖ schon bisher, dass gleichgeschlechtliche Paare das volle Adoptionsrecht erhalten. In der ÖVP hingegen sorgte es nicht für Freude, als Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter dies andachte. Ein solches Adoptionsrecht sei „womöglich die persönliche Meinung Rupprechters. Aber die Parteimeinung dazu ist ganz klar eine andere und wird auch nicht geändert“, erklärte ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel noch im Vorjahr.

Der neue ÖVP-Parteichef, Reinhold Mitterlehner, betonte nun, dass man das Urteil respektiere und umsetze. Die ÖVP werde aber weiter die traditionelle Familie mit Vater, Mutter und Kind forcieren. Der katholische Cartellverband, dem auch Mitterlehner angehört, sieht hingegen „mit der Aufhebung des Adoptionsverbots für gleichgeschlechtliche Paare das Wohl des Kindes gefährdet“.

4. Sind weitere Urteile wegen der Ungleichbehandlung Homosexueller möglich?

Anwalt Graupner ortet noch 39 Diskriminierungen in Gesetzen. Am zentralsten ist seine Forderung, dass die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wird. Bisher steht Homosexuellen nur die Eingetragene Partnerschaft offen. Der VfGH hat darin bisher kein Problem gesehen, der Fall liegt nun in Straßburg. Österreich sei nun das einzige Land Europas, in dem es zwar das volle Adoptionsrecht, aber keine Eheschließung für homosexuelle Paare gebe, kritisiert Graupner.

VfGH-Chef Holzinger verwies zum Ehebegriff am Mittwoch auf Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der in Österreich im Verfassungsrang steht. Demnach haben „Männer und Frauen gemäß den einschlägigen nationalen Gesetzen das Recht, eine Ehe einzugehen“. Da stehe aber nichts davon, dass Frauen und Männer diese Ehe auch miteinander eingehen müssten, argumentiert Anwalt Graupner.

AUF EINEN BLICK

2010 wurde die Eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt.

2013 wurde nach einem Urteil des Straßburger EGMR die Stiefkindadoption für homosexuelle Paare erlaubt.

2016 wird für homosexuelle Paare nach dem aktuellen Urteil des VfGH auch die gemeinsame Adoption von Kindern Dritter möglich sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2015)

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