Wattestäbchen für DNA-Tests "nicht mehr Stand der Technik"

Mit Wattestäbchen wird eine DNA-Spur genommen
Mit Wattestäbchen wird eine DNA-Spur genommen(c) AP (Winfried Rothermel)
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Bei der DNA-Spurensuche am Tatort wurden jahrelang Wattestäbchen verwendet. Dabei sind aber Fehler unterlaufen, die Polizei suchte nach "Phantom"-Tätern. Der Hersteller wehrt sich nun.

Ermittler sprachen von einem peinlichen Fehler: Jahrelang fahndete die Polizei in Deutschland und Österreich nach der "Polizistenmörderin von Heilbronn". Für Verwirrung sorgte, dass ihre DNA an 38 Tatorten in den beiden Ländern entdeckt wurde. Nun stellte sich heraus, dass beim Sammeln der DNA-Proben Fehler unterlaufen sind, genauer gesagt: dass die Wattestäbchen, mit denen die DNA-Spuren aufgenommen wurden, DNA-kontaminiert waren.

Die österreichische Polizei schloss Anfang des Jahres in einem Mordfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus, dass es das gesuchte "Phantom" tatsächlich gibt. Gleichzeitig seien die Wattestäbchen, die von der Firma Greiner Bio-One International AG vertrieben worden seien, als verunreinigte Spurenträger identifiziert worden. Es sei daher veranlasst worden, sämtliche Stäbchen des Herstellers, die in den österreichischen Sicherheitsbehörden im Umlauf gewesen seien, sofort aus dem Verkehr zu ziehen.

Streit mit Lieferant von Wattestäbchen

Die Firma Greiner Bio-One GmbH wies darauf hin, dass die von ihr vertriebenen Abstrichbestecke nicht für die Verwendung von molekulardiagnostischen Analysen vorgesehen sind. Anders sieht das der Sprecher des Bundeskriminalamt, Gerald Tatzgern: Aus einem Schriftverkehr zwischen dem Unternehmen und dem oberösterreichischen LKA geht hervor, dass die Wattestäbchen garantiert frei von DNA seien. "Ich habe das schriftlich vor mir. Das ist sogar zertifiziert", sagte Tatzgern.

Greiner Bio-One bezieht die Wattestäbchen nach eigenen Angaben von einem deutschen Importeur. Die aus Holz gefertigten Stäbchen, die Watte aus Baumwolle sowie Kunststoffröhrchen und Verschluss wurden zu einem kompletten Abstrichbesteck montiert. Die abschließende Sterilisation mit ionisierenden Strahlen führe zu einem sterilen Produkt. "Mögliche vorhandene DNA-Verunreinigungen menschlichen oder tierischen Ursprungs können durch eine Sterilisation nicht beseitigt werden", teilte das Unternehmen auf seiner Homepage mit.

Das will das Bundeskriminalamt nicht gelten lassen: Man kaufe für die Spurensicherung ausschließlich solche Wattestäbchen an, die für DNA-Analysen geeignet seien. Dass einige Fehler unterlaufen sind, habe keine gravierenden Auswirkungen gehabt: "Es wurden zwar falsche inhaltliche Verknüpfungen hergestellt. Aber dadurch ist niemand zu Schaden gekommen", sagte Reinhard Schmid vom Bundeskriminalamt.

DNA-freie Stäbchen 15 Mal teurer

Auch in Deutschland wird über die Wattestäbchen diskutiert: "Die moderne DNA-Analytik hat sich so weit fortentwickelt, dass nun selbst mikroskopisch kleine Proben entschlüsselt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass der bislang bundesweit geltende Standard, wonach die Stäbchen 'steril' zu sein haben, nicht mehr ausreicht", sagte ein Sprecher des Stuttgarter Landeskriminalamts (LKA) mit Blick auf die Ermittlungspanne im "Phantom"-Fall.

Auf den Unterschied zwischen 'sterilen' und garantiert 'DNA-freien' Wattestäbchen wiesen auch Herstellerfirmen hin. Der Inhaber des Hamburger Unternehmens EM-TE, Andre Reuter, sagte dem "Westfalen-Blatt" vom Freitag, viele Polizeibehörden bestellten aus Kostengründen Wattestäbchen, die zwar steril, nicht aber garantiert DNA-frei seien. Reuter importiert nach eigenen Angaben Wattestäbchen, sogenannte Bakterietten, aus Italien und vertreibt sie auch an Polizeidienststellen. "Die einfachen Bakterietten kosten samt Röhrchen etwa 18 Cent. Sie sind für bakteriologische und mikrobiologische Untersuchungen gedacht, nicht aber für Zwecke der Rechtsmedizin", sagte der Importeur.

Ralf Hensiek von der Firma Diagnostica in Reinfeld in Schleswig-Holstein verwies im "Westfalen-Blatt" darauf, dass DNA-freie Stäbchen etwa das 15-fache steriler Wattestäbchen kosteten. "Wir haben zu Testzwecken schon mehrere Polizeibehörden beliefert, unter ihnen aus das Bundeskriminalamt", sagte Hensiek. Soweit er wisse, setze aber noch keine deutsche Polizeibehörde DNA-freie Stäbchen ein.

(Ag./Red.)

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