Witze mit beschränkter Wirkung: Wenn der Lacher im Hals stecken bleibt

Es gibt zwei verschiedene Arten von Witzen. Nein, nicht einfach gute oder schlechte, sondern es gibt auch interkulturelle Wechselwirkungen: Nicht alle Witze werden überall verstanden. Im Ernst!

WIEN.Ein Serbe und ein Montenegriner teilen sich das Mittagessen. Der Serbe sagt: „Teilen wir es uns brüderlich.“ Der Montenegriner antwortet: „Nein, machen wir lieber halbe-halbe.“

War das lustig? Wenn nicht, dann ist das auch kein Problem. Dann fehlt Ihnen ganz einfach der Bezug zum Witz: Es ist ein bosnischer Witz über Serben und Montenegriner. Der Witz ist der einer anderen Sprache, einer anderen Kultur – und noch dazu in einer anderen Zeit entstanden. Im damaligen Jugoslawien war die Vielfalt des Humors genau so erstaunlich wie die Vielfalt der Sprachen, Religionen und Kulturen.

Jedes Land hat seine eigenen Witze gehabt, deren Wurzeln gleich erkennbar waren. Das Faszinierende am Humor ist, dass er sowohl kulturspezifisch als auch kulturübergreifend sein kann. Während die ganze Welt über Charlie Chaplin lacht, gibt es „Insider“-Witze, die nur ein enger Freundeskreis lustig findet. „Der Unterschied liegt daran, dass es sich in einem Fall um Slapstick und in dem anderen um Wortspiel handelt“, erklärt Martina Kapral, die gemeinsam mit Susanne Seidl „HumorAG“, ein Unternehmen, das Lachen und Humor in die Wirtschaft einbringen will, führt.

Humor ist wichtig, nicht nur, weil er gute Laune verbreitet und Menschen verbindet, sondern auch, weil er oft wichtige und delikate Themen anspricht und dadurch sanft Anstöße gibt nachzudenken.

Lachen in Krisenzeiten

In Krisenzeiten erleichtert Humor die Auseinandersetzung mit der ernsthaften Situation. Jüngstes Beispiel: Nur ein paar Stunden, nachdem im Oktober 2008 die ersten US-Banken ihren Bankrott gemeldet hatten, war das Internet mit Bankerwitzen voll: „Was ist Optimismus? Ein Banker, der am Sonntag fünf Hemden bügelt.“ Bezeichnend an diesen Witzen war, dass sie in allen Ländern der Welt auf Anhieb verstanden worden sind – nicht zuletzt ist auch dieser Umstand einer der Belege dafür, dass die Finanzkrise länderübergreifende Dimensionen angenommen hat. Frei nach dem Motto: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Am besten bekannt ist vermutlich der amerikanische Humor – wohl auch deshalb, weil die Wahrnehmung von Medien dominiert wird und sehr viele Filme, TV-Serien und Shows aus den USA kommen.

Lachen als Erfolgsrezept reicht aber nicht aus – auf Platz eins der weltweit erfolgreichsten Filme liegt „Titanic“, und das schon seit zwölf Jahren. Zu lachen gibt's dabei bekanntlich nicht sehr viel. Die erste Komödie in diesem Kino-Ranking ist „Shrek 2“, der Zeichentrickfilm liegt erst auf Rang 13. Heißt das also, dass Humor gar nicht so universell ist? „Ja“, so Kapral, „so wäre es auch sehr schwierig, ein Kabarettprogramm zu gestalten, das Menschen aus der Türkei, Österreich, Kroatien oder Deutschland gleich lustig finden würden.“ Eine der Erklärungen für den Umstand, dass auf österreichischen Kabarettbühnen erst Migranten der zweiten Generation Fuß fassen – wie etwa Michael Niavarani oder Miriam Hie.

„Das ist nicht lustig“

Genau über dieses Thema wird jedes Jahr am 1. April in der Austro-American Society geredet, gelacht und diskutiert. Der Abend unter dem Namen „Das ist nicht lustig. Oder ist es?“ wird in Zusammenarbeit mit der US-Botschaft und der „Webster University“ organisiert. Über interkulturellen Humor diskutieren Redner aus unterschiedlichen Kulturen wie etwa Andrew Horsfield aus Großbritannien oder Gordon Van Der Veen aus Indien.

Bleibt eine Frage offen: Warum also ist dem Montenegriner der Lacher im Hals stecken geblieben? In Titos Jugoslawien hatte es einen üblen Beigeschmack, wenn ein Serbe von „brüderlich teilen“ sprach – denn „brüderlich“ bedeutete auch: „Alles geht nach Belgrad.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.