Fall Alijew: „Empfängliche“ Polizei?

Unter Beschuss: Justizminister Wolfgang Brandstetter. Er schweigt weiter, weil er einst Alijews Rechtsvertreter war.
Unter Beschuss: Justizminister Wolfgang Brandstetter. Er schweigt weiter, weil er einst Alijews Rechtsvertreter war.(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Nach dem Suizid des Ex-Botschafters wird deutlich, wie Kripobeamte sich von Kasachstan mit Informationen füttern ließen.

Wien. Seit dem in U-Haft begangenen Suizid von Ex-Botschafter Rachat Alijew müssen sich die beiden mutmaßlichen Alijew-Komplizen, darunter der kasachische Ex-Geheimdienstchef Alnur Mussajew, auf den am 14.April startenden Mordprozess vorbereiten. Stellt man die Frage, wie es überhaupt zu einer Mordanklage gekommen ist (Alijew und Co. sollen 2007 zwei kasachische Banker getötet haben), zeigt sich, dass der Anwalt Gabriel Lansky, der Vertreter der Witwen der mutmaßlichen Alijew-Mordopfer, mit den Ermittlern eng kooperiert hat. Ob diese Kooperation aus Ermittlersicht zu eng war – Stichwort: Amtsmissbrauch –, prüft derzeit die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien.

In einem Schreiben (13.September 2011) von Lansky an eine der beiden Witwen bzw. den von den Witwen gegründeten Fonds Tagdyr mit Sitz in Almaty, Kasachstan, wird über die bisherige Kooperation berichtet. Und es wird die weitere Vorgangsweise erläutert: „Die Ermittler begrüßten diese Unterstützung unsererseits ausdrücklich. Wir sagten ihnen zu, dass wir das neue Beweismaterial aus dem Mordakt, dessen Zusendung aus Kasachstan wir in Kürze erwarten (auch in Kasachstan wurde wegen Mordes ermittelt, Anm.), für sie [...] aufarbeiten werden.“

Beamte wurden „versorgt“

Allein aus dieser Passage („Zusendung aus Kasachstan“) ergibt sich, dass die Kanzlei auch die Zusammenarbeit mit den Behörden Kasachstans gesucht hat. Eventuell dahinter stehende Kontakte mit dem Geheimdienst KNB werden von der Kanzlei strikt bestritten.

Nun ist es an sich nicht verwerflich, wenn eine Anwaltskanzlei in Kasachstan Informationen einholt und diese den österreichischen Behörden übermittelt. Interessant ist aber, dass die Weiterleitung des Materials nur ein Ziel hatte: Alijew zu überführen. So wird in dem Schreiben an Tagdyr vom „Vorantreiben“ des Mordverfahrens berichtet. Und: Es habe „hohe Priorität, die Empfänglichkeit zu den von uns übermittelten Informationen und die Kooperationsbereitschaft seitens österreichischer Strafverfolgungsbehörden auszunützen [...] und diese mit den zielgerechten Fakten und Materialien weiter zu versorgen.“ Lansky zur „Presse“: „Ich bin eben nicht neutral. Mein Job ist es, meine Klientinnen (die Witwen, Anm.) zu vertreten.“ Das Hinwirken auf eine Anklage sei erfolgt, weil eben „Grundlagen dafür gegeben waren“. Lansky weiter: „Ich halte das auch für moralisch in Ordnung.“

Bleibt aber noch die wichtigere Frage: Handelten die Beamten des Bundeskriminalamts korrekt? Oder ermittelten sie einseitig? Die OStA prüft vorerst, welche Anklagebehörde nun für Untersuchungen gegen die Ermittler (es sind konkret zwei Kripobeamte) zuständig ist. Danach wird analysiert, ob strafbares Verhalten vorliegt.

Indes brachte Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz eine parlamentarische Anfrage ein, um die Rolle von ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter zu durchleuchten. Er war Rechtsvertreter von Alijew in dessen Auslieferungsverfahren. Er verhalf dem Ex-Diplomaten zur Ausstellung eines Fremdenpasses und zu einer Meldeadresse. Der angegebene Wohnsitz bestand in einem Haus, das in Brandstetters Miteigentum stand.

Brandstetters Team vollständig

Der Minister wollte auch am Freitag unter Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht als einstiger Rechtsvertreter nichts sagen. Die Behördenarbeit nach dem Suizid Alijews will er von einer Expertenkommission durchleuchten lassen. Seit Mittwoch steht fest: Außer dem pensionierten Generalprokurator Ernst Eugen Fabrizy (Leitung) gehören der frühere leitende Innsbrucker Oberstaatsanwalt Eckart Rainer und der frühere niederösterreichische Chefermittler Josef Grasel der Kommission an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2015)

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