Hinter Gittern: Häftlinge immer länger isoliert

(c) AP (Winfried Rothermel)
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Die Personalnot in Gefängnissen schlägt voll durch: Vielfach muss die Justizwache an bestimmten Tagen schon ab Mittag „Nachtdienste“ einlegen; Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten für Häftlinge schwinden.

WIEN. Die Personalnot in den 28 Haftanstalten Österreichs (8430 Gefangene, Tendenz steigend) hat vor allem im Sommer negative Auswirkungen. Gerade in der Urlaubszeit müssen etliche Werkstätten in den Gefängnissen geschlossen bleiben. Zudem muss die Justizwache den Beginn der „Nachtdienste“ an bestimmten Tagen (meist Freitag, Samstag, Sonntag) vorziehen – um den Personaleinsatz zu reduzieren. Justizwache-Vertreter sprechen bereits von „Notbetrieb“.

Wie „Die Presse“ berichtete, wurde im Juni auch im größten Gefängnis Österreichs, in der Justizanstalt Wien-Josefstadt (die Anstalt ist mit ca. 1200 Insassen stark überbelegt), freitags der mit wenig Personal geführte „Nachtdienst“ um zwei Stunden vorverlegt. Eine „panikartige“ Aktion der Anstaltsleitung, hieß es seitens des Wachpersonals. Grund für die Aktion: Die vorgesehene Überstundenzahl der Justizwache war um 6000 Stunden überschritten worden.

Der Freitag-„Notbetrieb“ erwies sich als nicht praktikabel, da freitags etliche personalintensive Tätigkeiten (Gerichtsaufträge etc.) zu erledigen sind. Nun wurde der Sonntag zum „Spartag“ erklärt. Beginn des „Nachtdienstes“: statt um 15 Uhr schon um 13 Uhr. Ab dem Zeitpunkt müssen alle Gefangenen in ihren Hafträumen sein.

Sonntags müssen die Häftlinge zwar nicht in die Werkstätten ausrücken, trotzdem sind die Anstaltsabteilungen für gewöhnlich besetzt – wodurch die Häftlinge Ansprechpartner haben. Auch die vorgeschriebene tägliche einstündige „Bewegung im Freien“ kann normalerweise zeitlich gestaffelt bis 15 Uhr stattfinden. Damit ist vorerst Schluss. Drei Monate lang läuft nun der Sonntagfrühschluss – danach wird evaluiert. Also längere „Schließzeiten“ zum Leidwesen der (als schuldlos geltenden) U-Häftlinge, die im Gefangenenhaus Wien-Josefstadt 65Prozent der Gefängnispopulation ausmachen. Prominentester U-Häftling ist zweifellos Ex-Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner.

Das lange Eingesperrt-Sein führt zu Aggressionen unter den Insassen, insbesondere bei Überfüllung. Wie der Vorsitzende der Justizwache-Gewerkschaft Karl Aichinger erklärt, sei es in der Josefstadt keine Seltenheit, dass in Fünf-Mann-Zellen acht bis zehn Personen eingesperrt sind. Und in Zwei-Mann-Räumen drei bis vier. Auch bei den Besuchen gibt es Probleme. Immer wieder kommt es vor, dass sich Besucher lange anstellen, um in das sogenannte Halbgesperre (die gesicherte Besucherzone) zu gelangen – und dann zu erfahren, dass ein Besuch doch nicht möglich sei. Des Rätsels Lösung: Verdunkelungsgefahr. Wenn bei Häftlingen die Gefahr besteht, sich mit anderen zu „verabreden“ (Beispiel: Verschleierung von Straftaten), muss der Besuch von einem Staatsanwalt überwacht werden. Ist ein solcher – wegen Personalnot bei der Staatsanwaltschaft – nicht verfügbar, gibt es auch keinen Besuch. Dazu der Präsident der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte, Wolfgang Swoboda: „Diese Überwachungen werden meist an Rechtspraktikanten delegiert. Aber wenn niemand zur Verfügung steht, können diese Besuche nicht zugelassen werden.“

Nächstes – österreichweites – Problem: Viele Gefängniswerkstätten (Strafgefangene produzieren Waren, die verkauft oder weiterverarbeitet werden) sind gar nicht in Betrieb. Grund, wie gehabt: Man bräuchte mehr Personal, um die Sicherheit zu gewährleisten. So müssen etwa in der niederösterreichischen Haftanstalt Krems/Stein von Montag bis Donnerstag zwei bis vier Betriebe während des Sommers geschlossen bleiben. Freitags gilt das für fast alle Betriebe.

Ungenügende Sicherung

300 bis 400 zusätzliche Stellen bei der bundesweit ca. 3100 Personen starken Justizwache wären nötig, meint Aichinger. Allein in der Anstalt Josefstadt würden 40 bis 50 Planstellen fehlen, sagt Albin Simma, Vorsitzender des Justizwache-Fachausschusses für Wien, NÖ, Burgenland.

Apropos Sicherheit: Derzeit kommt es vor, dass Häftlinge, die beispielsweise zu einem Facharzt transportiert werden, nicht im erwünschten Ausmaß bewacht werden. Statt einer Zwei-Mann-Sicherung muss mit einer Ein-Mann-Sicherung das Auslangen gefunden werden. Auch die bei Ausfahrten vorgeschriebene Visitierung (Untersuchung auf versteckte Waffen wie etwa Glasscherben) kann oft nicht richtig vorgenommen werden. Aichinger: „Sonst steht der Dienstbetrieb still.“ Rhetorische Frage des Gewerkschafters: „Muss erst wieder etwas passieren?“

Sollte die Personalmisere anhalten (diese wird auch durch die seit Jänner 2008 geltende Ausweitung der – personalintensiven – Besuchszeiten verstärkt), sieht die Justizwache nur einen Ausweg: Das – ebenso personalintensive – Freizeitangebot für Häftlinge, Sport, Theater-, Bastelgruppen etc., müsse drastisch eingeschränkt werden. Eine gefährliche Spirale, denn (siehe oben) immer mehr Zeit in den Zellen heißt immer mehr Spannungen unter den Häftlingen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2009)

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