Todesschuss von Krems: Gutachten belastet Polizisten

(c) Michaela Bruckberger
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Jener Polizist, der einen jugendlichen Einbrecher erschossen hat, hat laut Sachverständigen nicht aus Notwehr gehandelt. Gleichzeitig bestätigen die Gutachter die Aussagen der zweiten Polizistin.

Korneuburg (APA/red.). Ziemlich genau zwei Monate, nachdem ein Polizist in einem Kremser Supermarkt einen 14-jährigen mutmaßlichen Einbrecher erschossen hat, liegen nun die Gutachten der Sachverständigen vor. Sie belasten den Polizeibeamten massiv. Seine Aussage, wonach er in Notwehr gehandelt habe, konnte von den Sachverständigen nicht bestätigt werden.

Der Polizist hatte angegeben, in Notwehr geschossen zu haben, da der 14-Jährige und sein 16-jähriger Komplize (er wurde von einer Polizistin angeschossen) gerade im Begriff waren, auf ihn und seine Kollegin mit einer Gartenharke und einem Schraubenzieher loszugehen. Die Experten – der Gerichtsmediziner Christian Reiter, der Ballistiker Ingo Wieser und der Chemiker Reinhard Binder – kommen allerdings nach Informationen der Austria Presse Agentur zu dem Schluss, dass der Polizist den Schuss aus 1,8 bis zwei Meter Entfernung abgegeben hat.

Polizist schoss im Stehen

Weiters dürfte es im Supermarkt nicht so dunkel gewesen sein, wie vom Beamten angeben: Dieser hat ausgesagt, wegen der schlechten Beleuchtung unter anderem nicht erkannt zu haben, dass es sich bei den beiden Einbrechern um Jugendliche gehandelt hat. Die Beleuchtungsverhältnisse dürften laut Gutachten aber ausreichend gewesen sein, um im Raum etwas erkennen zu können.

Der Polizist hat weiters ausgesagt, sich hingekniet und auf den auf ihn zukommenden Jugendlichen gezielt zu haben. Unmittelbar vor der Schussabgabe habe er allerdings ein Geräusch gehört und sich kurz zur Seite gedreht. Als er sich wieder in Richtung des Buben umgedreht habe, sei der Schuss losgegangen. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er erkannt, dass der Jugendliche ihm mittlerweile den Rücken zugekehrt habe.

Auch diese Darstellung stimmt nicht mit den Erkenntnissen der Sachverständigen überein, die unter anderem zu dem Schluss kommen, dass der Polizist im Stehen den Jugendlichen in den Rücken geschossen haben dürfte.

Die Aussagen der Polizistin, die dem zweiten mutmaßlichen Einbrecher mit einem Projektil beide Oberschenkel durchschoss, wurden von den Gutachtern hingegen bestätigt. Zwischen ihren Angaben und den Erkenntnissen der Gutachter soll es keine Widersprüche geben.

Damit dürfen sich die Anwälte der beiden Jugendlichen bestätigt fühlen. Diese hatten schon bei der Tatrekonstruktion Anfang September angeben, dass der tödliche Schuss „bei guten Sichtverhältnissen und ohne Vorliegen einer Angriffs- oder Notwehrsituation“ abgegeben wurde. Der mittlerweile 17-jährige, der in U-Haft sitzt, hatte ausgesagt, dass er und sein Freund bereits auf der Flucht waren, als auf sie geschossen wurde.

Bis zu zehn Jahre Haft

Die Gutachten liegen nun bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg vor. Sollte diese dem Polizisten aufgrund der Gutachten nun keine Notwehr zubilligen, dürfte er doch nicht wegen „fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ angeklagt werden. Möglich wäre ein Verfahren wegen „schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang“ (Strafrahmen: ein bis zehn Jahre) oder „absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge“ (Strafrahmen: fünf bis zehn Jahre).

Auf einen Blick

Bei einem Einbruch in einen Supermarkt in Krems am 5. 8. hat ein Polizist einen jugendlichen Verdächtigen erschossen. Der Beamte gab an, in Notwehr gehandelt zu haben. Gutachten widerlegen diese Aussage nun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2009)

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