Krems: Lebenslange Haft für mutmaßliches Hamas-Mitglied

Im Kremser Landesgericht wurde einem Palästinenser versuchte Anstiftung zu Bombenanschlägen zur Last gelegt. Anschlagsort hätte laut Anklage Jerusalem sein sollen.

Schuldig in allen Anklagepunkten und lebenslange Freiheitsstrafe: So lautete am Landesgericht Krems am Montag das nicht rechtskräftige Urteil gegen einen 27-Jährigen aus Palästina, dem u.a. Begehung terroristischer Straftaten, versuchte Bestimmung zu Mordanschlägen und Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (Hamas) vorgeworfen worden war.

Der vor einem Jahr in seiner Asylunterkunft im Waldviertel Festgenommene meldete Berufung an. Die Geschworenen hatten sechs Fragen zu beantworten, die sie in mehrstündiger Beratung einstimmig bejahten.

Mildernd sei gewertet wurden, dass es bei der Anstiftung zum Mord beim Versuch blieb, sagte die Richterin. Erschwerend auf die Strafbemessung wirkten sich die einschlägige Vorstrafe (neun Jahre Haft in Israel, Anm.), das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie die "perfide Tatplanung" aus. Es bedürfe der Höchststrafe, um dem Angeklagten vor Augen zu führen und auch zu signalisieren, dass dies nicht der richtige Weg sei, politische Veränderungen herbeizuführen. Die Staatsanwältin hatte die Geschworenen im Schlussvortrag aufgefordert, diesbezüglich ein Zeichen zu setzen.

In Flüchtlingsunterkunft festgenommen

Im Frühjahr 2016 reiste der Palästinenser H. nach Österreich ein. Seine schwangere Frau blieb im Gazastreifen zurück. H. wurde in einer Flüchtlingsunterkunft im Bezirk Gmünd untergebracht. Im Juli 2016 wurde er festgenommen. H. soll versucht haben, via Facebook und WhatsApp zwei andere Männer zu Sprengstoffanschlägen in Jerusalem anzustiften.

H. ist laut Anklage ein Mitglied der gegen Israel kämpfenden Terrororganisation Hamas. Als solches saß der im Gazastreifen aufgewachsene Mann bereits neun Jahre in Israel in Haft. Bei Prozessauftakt vorige Woche hatte er sich teilschuldig bekannt. Er sei aber kein Hamas-Mitglied, hatte er in der unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen geführten Verhandlung erklärt.

Auf die beiden Männer, die er laut Anklage als potenzielle Attentäter ins Auge gefasst habe, war H. aufmerksam geworden, weil ihm deren Facebook-Profile als geeignet erschienen: Ein Foto zeigte etwa einen der beiden vor der al-Aqsa-Moschee in Jerusalem.

Ein reger Nachrichtenaustausch zwischen H. und den beiden Männern, die laut Ermittlern ebenfalls der Hamas zuzuzählen seien, entwickelte sich. Diese Kommunikation (sie lief übrigens via Gratis-WLAN in der Flüchtlingsunterkunft) wurde sichergestellt und dient der Anklage als wichtigstes Beweismittel: Videos von Hamas-Kämpfern sowie Audiodateien von Kampfgesängen finden sich unter dem Material.

Wackelige Verteidigung

Die radikalislamistische Organisation Hamas habe er während seiner neunjährigen Haft in Israel kennengelernt und sich dieser zugehörig gefühlt, gab der Angeklagte zu. Zwei seiner Brüder seien Hamas-Mitglieder gewesen, einer sei umgebracht worden. Aber er sei nach Österreich geflüchtet, weil er innerhalb der Hamas als möglicher Verräter in Verdacht geraten sei. So ganz sattelfest schien diese Art der Verteidigung aber nicht. Auch die Angabe, er habe sich bei bestimmten heiklen Stellen in den Internet-Chats „verschrieben“ bzw. sein Account sei „gehackt“ worden, sodass ihm bestimmte Passagen fälschlich zugeordnet würden, wurde zumindest von der Anklage als reine Schutzbehauptungen dargestellt.

Die Männer, die H. laut Anklage zu Anschlägen anstiften wollte (so war etwa von der Beschaffung von „Äpfeln“ die Rede, gemeint waren offenbar Handgranaten), sind mittlerweile von israelischen Behörden festgenommen worden. Doch H. erklärte den Geschworenen: „Ich glaube, das ist alles eine israelische Konspiration.“

Aus Sicht der Staatsanwältin ist der Angeklagte, der schon mit 14 Jahren gekämpft und getötet habe, in neun Jahren israelischer Haft „nicht deradikalisiert“ worden: „Er ist Unterstützer der Hamas.“ Sie wandte sich mit einem Appell an die Geschworenen: „Setzen Sie ein Zeichen: Nein, nicht hier, nicht bei uns in Österreich!“ Und die Geschworenen folgten ihrer Aufforderung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2017)

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