Endloser Prozess wird zur Groteske

Betrug. 21 Jahre nach Tatbegehung steht Ex-Manager Michael B. weiterhin vor Gericht.

Wien/New York. Dass es heuer eine Entscheidung gibt, glauben nicht einmal Optimisten. Ein Ersturteil dürfte sich erst 2018 ausgehen. Danach wartet noch die zweite Instanz. Der Angeklagte, Ex-Fondsmanager Michael B. (45) – ein Salzburger, der in den 1990er Jahren nach New York auswanderte, um die Wall Street zu erobern, soll schon ab 1996 Investoren getäuscht haben. Also vor 21 Jahren.

Österreich wurde in diesem wohl längsten Strafverfahren, das die Republik je hatte, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Wegen überlanger Verfahrensdauer bekam B. 12.000 Euro Entschädigung zugesprochen. Dies ändert aber nichts daran, dass im Straflandesgericht Wien seit Mai ein Betrugsprozess gegen B. läuft. Dieser wurde gestern, Mittwoch, fortgesetzt.

Richterin Caroline Csarmann, Mitglied der jüngeren Garde der Wiener Wirtschaftsrichterschaft, wusste vermutlich noch gar nicht, dass sie einmal Jus studieren würden, als B. (damals blutjung) schon den Offshore-Hedgefonds Manhattan Investments Fund Limited managte. Nun versucht Richterin Csarmann in unaufgeregter Verhandlungsführung, das Beste aus der Situation zu machen. Leicht hat sie es nicht. Vor allem Zeugen aus den USA sind schwer bis gar nicht aufzutreiben.

Anklage: 420 Mio. € Schaden

Michael B.s seinerzeitige Wertpapierstrategie: Er setzte auf das Platzen der Dotcom-Blase, somit auf fallende Kurse, war seiner Zeit aber viel zu weit voraus. Internettechnologien entwickelten sich bis 2000 gut. Die Kurse stiegen. Somit fuhren die Investoren, die B. angelockt hatte, massive Verluste ein. Die Schadenssumme, welche die Staatsanwaltschaft Wien in ihrer Betrugs- und Untreue-Anklage anführt: 465 Millionen US-Dollar (420 Mio. Euro). Der Vorwurf: B. soll jene Prüfkanzlei, die als Fondsadministratorin tätig war, durch falsche Kontoauszüge einer für den Fonds tätigen Brokerfirma getäuscht haben. Sprich: Er soll von 1996 bis 1999 eine gute Performance des Fonds fingiert haben. 2000 flog alles auf. Ein US-Strafverfahren wurde eingeleitet. B. gelang es, sich per Schiff nach Europa abzusetzen. Auch in Österreich begann ein Strafverfahren. Das ist 17 Jahre her. Fast zwei Jahre saß B. in U-Haft, musste dann wegen Zeitablaufs freigelassen werden.

Seither wurden gezählte drei Gutachter im Auftrag der Anklage aktiv. Doch einer nach dem anderen musste wegen Befangenheit wieder aus dem Rennen genommen werden. Derzeit ist mit dem Wirtschaftsprüfer Christoph Michel die Nummer 4 am Werk.

B.s Anwalt Jürgen Mertens hat schon deponiert: Auch dieser Experte sei befangen. Vor Gericht trat der Gutachter aber bisher nicht auf. Und B. selbst? Er bekennt sich nicht schuldig. Seine damalige Fondsbank (Bear Stearns, sie ging 2008 unter) habe angesichts der Fondsperformance ihre Schäfchen ins Trockene gebracht. Er sei als „schwächeres Glied“ übrig geblieben. Heute, Donnerstag, wird weiterverhandelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2017)

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