Niederösterreich: Aufregung um angebliche Missstände in Jugendheim

Ex-Mitarbeiter und Jugendliche berichteten im ORF von Erniedrigungen durch Betreuer. Die Einrichtung weist die Vorwürfe zurück und droht mit Anzeige wegen Verleumdung.

In Niederösterreich herrscht Aufregung um angebliche Missstände in einer Jugend-Wohneinrichtung des Bundesverbandes Therapeutische Gemeinschaften (TG). In der "ZiB 2" berichteten ehemalige Mitarbeiter und drei Jugendliche am Freitag von Erniedrigungen durch Betreuer. TG-Geschäftsführer Hermann Radler wies diese Vorwürfe in einer Aussendung am Samstag "zu 100 Prozent" zurück.

Ein Facebook-Eintrag eines Sozialarbeiters über einen herzkranken Bewohner, der in einem Auto ohne Kennzeichen gehaust habe, weil er vom Heim weggewiesen worden sein soll, hat den Fall ins Rollen gebracht. Ein ehemaliger Mitarbeiter sagte in dem Fernsehbericht, dass Bewohner etwa kalt abgeduscht wurden oder im Stehen essen mussten. Ein Jugendlicher erzählte, ein Betreuer habe ihn am Hals genommen "und mich hingehaut". Er habe daraufhin ein Blackout gehabt.

Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtete weiters, dass jene Leute, die solche Missstände melden, gekündigt würden und nicht jene, die derart handeln würden. Es herrsche eine "70er-/80er-Jahre-Pädagogik". Außerdem würde man bei Besuchen durch die Volksanwaltschaft das Team der Volksanwaltschaft ablenken, Kaffee anbieten und währenddessen Spuren beseitigen.

Grüne fordern "lückenlose Aufklärung"

"In keiner unserer Wohngemeinschaften werden Jugendliche erniedrigt oder medikamentös ruhiggestellt. Die Auswahl unserer Mitarbeiter erfolgt sehr gewissenhaft und mit großer Sorgfalt", hieß es in der Stellungnahme von TG-Geschäftsführer und Gründer Radler. Der Vorwurf bestürze ihn sehr. "Die TG ist nicht interessiert, aufwendige Prozesse gegen diese falschen Behauptungen zu führen. Im Zentrum steht das Wohl der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Dennoch sehen wir uns im Moment gezwungen, gegen diese Behauptungen rechtlich vorzugehen. Weil es sich um Verleumdungen handelt, wird es zur Anzeige betreffender Personen kommen", so Radler.

Zum konkreten Vorwurf des obdachlosen Jugendlichen, der in einem Pkw gehaust haben soll, erklärte die TG: Der Jugendliche sei aus der Einrichtung aufgrund von bestimmten Vorfällen polizeilich weggewiesen worden. Diese polizeiliche Maßnahme habe für den Jugendlichen ein Betretungsverbot der Unterkunft von zwei Wochen zur Folge gehabt. "Er wurde danach in einer Notunterkunft (mit 24-Stunden-Betreuung) der Therapeutischen Gemeinschaften untergebracht. Nach einem Monat wurde der Jugendliche - aufgrund erneuter Vorfälle - in der Notunterkunft wieder polizeilich weggewiesen, worauf wir die zuständige Bezirkshauptmannschaft informiert haben. Die Bezirkshauptmannschaft meldete ihn daraufhin bei den Therapeutischen Gemeinschaften ab und kündigte den Betreuungsvertrag auf", so die TG.

Die Grüne Klubobfrau Helga Krismer forderte bereits eine lückenlose Aufklärung. Sie sei im Oktober via Facebook auf diese "Vorkommnisse" gestoßen. Am Montag will sie eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft und die Behörden in Niederösterreich richten. Krismer hat zu diesem Thema zu einer Pressekonferenz am Montag geladen.

Volksanwalt: Keine Beschwerde eingelangt

Der Volksanwalt Günther Kräuter sagte jedoch, dass zu der betroffenen Jugend-Wohneinrichtung der Therapeutischen Gemeinschaften (TG) kein Beschwerdefall bei der Volksanwaltschaft eingelangt sei. Außerdem wies er den Vorwurf eines Mitarbeiters, man käme nur zum Kaffeetrinken, zurück. "Die Besuche sind immer unangekündigt. Es werden mit allen vertrauliche Gespräche geführt und wir haben vollen Zugang zu allen Dokumenten", erläuterte er. 

In der betroffenen Einrichtung habe es im vergangenen Jahr einen sogenannten Kommissionsbesuch gegeben. Kleinere Qualitätsmängel - etwa was die Privatsphäre der Jugendlichen betreffe - wurden dem Land mitgeteilt und auch behoben.

Komme ein Team der Volksanwaltschaft, so dauere ein Besuch einen halben Tag. Außerdem werden auch "Follow-Up"-Besuche - ebenfalls unangekündigt - gemacht. Von den nun veröffentlichten Missständen sei bei der Volksanwaltschaft nichts eingelangt. Hier sei nun die zuständige Behörde am Zug.

(APA)

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