Vorglühen mit Cola-Rum und Motoröl als Tombolapreis

»Lass mi unter dein Kittel schaun.« Wie die Landjugend feiert. Ein Lokalaugenschein in Oberösterreich.

Samstagabend, Micheldorf. Der Ort hat die Gehsteige hochgeklappt, auch das Betriebsbaugebiet an der Ortsausfahrt ist verlassen. Ein Wegweiser führt vorbei an Einfamilienhäusern zum „Freizeitpark Micheldorf“. Der Parkplatz ist voll, man sieht von Weitem durch das Glasentree ins Innere: polierte Steinfliesen auf dem Boden, helle Holzkonstruktion innen. Heute findet hier der „Ball der Landjugend und Bauernschaft des Bezirks Kirchdorf“ statt.

„Midanaund im Trachtengwaund“ ist sein Motto. „Tracht erwünscht“, steht auf der Einladung, und alle halten sich daran. An einer der zwei Bars im Foyer lehnt schief ein biertrinkender Jungbauer in graugrünem Loden: „Lass mi unter dein Kittel schaun“, verlangt er, sein Glas umklammernd. Obschon die längste Zeit erfolglos, versucht er weiterhin, weibliche Gäste zum Lüpfen ihres Dirndlkleids zu überreden. „70 Milchkühe stehen in meinem Stall“, sagt er stolz.

Am anderen Ende der Bar steht Nicole Thallinger, 28, Verkäuferin im „Lagerhaus“. Sie kommt hierher, weil die Bälle der Gegend zu den wenigen Gelegenheiten gehören, bis in die frühen Morgenstunden fortzugehen. Der Gasthof Rühler und die Diskothek Madness fallen ihr noch ein, aber Zeltfeste, Ostertänze und die Bälle der Faschingszeit würden zu den Höhepunkten des Nachtlebens gehören. Die ältere Bauernschaft sitzt an langen Tischen im großen Saal, die Jüngeren drängen sich an den Bars im Foyer. Einer hatte es schon vermutet, als Bürgermeister Ewald Lindinger sagte, nur hier dürfe geraucht werden: „Das wird eine Stehpartie.“ Für Silvia, eine groß gewachsene 16-Jährige im kurzen Dirndl, die gerade zu den Toiletten begleitet wird, könnte der Abend zur Schleuderpartie werden: „Mir geht's nimma gut“, bringt sie noch heraus. Vorgeglüht hätten sie halt, mit Cola-Rum, sagt ihre Freundin.

Referat über die Demenzzentrale. Im großen Saal begrüßt Lindinger inzwischen Ehrengäste (von der Landwirtschaftskammer udn der Bezirksbauernkammer, die Ortsbäuerin etc). Als der Ortschef über die Wiesen- und Ackerfläche, die Demenzzentrale und das Bezirksaltenheim referiert, hört niemand der Gäste zu. Das tun sie erst wieder, als die Schuhplattler auf der Tanzfläche einen Baumstamm mit Hacken im Takt der Musik bearbeiten, bis die Holzsplitter fliegen, später bei der Mitternachtseinlage (eine Schuhplattler-Choreografie mit Cowboyhüten zu „Cotton Eye Joe“) und als die sommersprossige Mitzi Ganglbauer, 19, aus Kremsmünster zur Ballkönigin gekürt wird.

Der Ball hat seinen Höhepunkt erreicht: Die Tombolapreise werden verlost. Darunter sind Motoröle, Frostschutzmittel, Jungbauernkalender, John-Deere-Pullover und „Lagerhaus“-Kappen. Und zwei große Steigen Eier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2010)

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