Abbiegeassistent: Opposition ortet „Ausreden“

Die Kritik an Verkehrsminister Norbert Hofer wächst.
Die Kritik an Verkehrsminister Norbert Hofer wächst.APA/GEORG HOCHMUTH
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Die Kritik am dünnen Ergebnis des Lkw-Sicherheitsgipfels hält an. Ein Mitschnitt legt nahe, dass das schon vor dem Treffen feststand. Nun werden die Lkw Thema im Parlament.

Wien. Die Aufregung um das Thema Abbiegeassistenten für Lkw hält auch eine Woche nach dem dazu von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) initiierten Sicherheitsgipfel an. Etliche Teilnehmer dieses Gipfels – hochrangige Vertreter von ÖAMTC, VCÖ, SPÖ, Arbeiterkammer, Grünen – haben sich nun via Videobotschaft zu Wort gemeldet. Der Inhalt: Man sei klar für Abbiegeassistenten bzw. für ein verpflichtendes Ausrüsten von Lkw damit. Veröffentlicht wurde dieses Video nun von den Initiatoren der Petition für verpflichtende Abbiegeassistenten.

Verkehrsminister Hofer hatte nach dem (nicht öffentlichen) Gipfel vor den Kameras jedoch betont, dafür habe sich nur ein Teilnehmer explizit ausgesprochen. Zudem hatte Hofer unmittelbar vor dem Treffen jenen Schulkollegen des im Jänner bei einem Rechtsabbiegeunfall in Wien getöteten Neunjährigen, die ihm knapp 70.000 Unterschriften für verpflichtende Abbiegeassistenten übergeben hatten, seine Unterstützung zugesagt.

Dabei legt ein Mitschnitt der Sitzung im Ministerium – er liegt der „Presse“ vor – nahe, dass dessen Resultate längst feststanden, als die Verkehrsexperten und Interessenvertreter ins Ministerium kamen, um über Sicherheitsmaßnahmen zu beraten.

Minister Hofer präsentierte bei dem Gipfel einige Maßnahmen, die für mehr Sicherheit sorgen sollen: Im Wesentlichen geht es darum, an der Sicherheit von Kreuzungen anzusetzen statt bei den Lkw. Kritiker werfen Hofer nun vor, er habe sich in seiner Ablehnung verpflichtender Assistenzsysteme vor allem an die Interessen der Wirtschaft gehalten.

Tatsächlich zeigt das Protokoll der Sitzung, dass Hofer in seiner Argumentation (die Systeme seien technisch nicht weit genug ausgereift) der Argumentation von Wirtschaftsvertretern folgt – Hofer selbst erwähnte beim Gipfel, man habe dies vorab „in einer anderen Runde“ etwa mit einem Vertreter der Fahrzeugindustrie bzw. des Arbeitskreises Automobilimporteure der Industriellenvereinigung diskutiert. Der besagte Arbeitskreis begrüßte schon vor Ende des Gipfels und entsprechender Pressekonferenz dessen Resultate.

Opposition ortet Ausreden

Die SPÖ plant für heute, Mittwoch, eine parlamentarische Anfrage zum Thema: Der stellvertretende Klubobmann Jörg Leichtfried ist überzeugt, dass eine verpflichtende Aus- und Nachrüstung mit Abbiegeassistenten umsetzbar wäre.

In seiner Zeit als Infrastrukturminister habe er nämlich einen Pilotversuch gestartet. Im Februar 2017 war das Pilotprojekt „Mobileye“ gestartet worden. 15 Lkw und Busse wurden in Kooperation mit der Wirtschaftskammer und mehreren Firmen mit einem Abbiegeassistenten ausgerüstet. Im Rahmen der Studie sollten die Fahrzeuge bis März 2018 mit wissenschaftlicher Begleitung durch die TU Graz unterwegs sein und die Ergebnisse nach dem Sommer 2018 vorliegen.

Leichtfried fordert nun Auskunft. Verkehrsminister Hofer müsse längst Ergebnisse haben. Leichtfried vermutet, diese würden zurückgehalten, weil sie die Forderung nach einer verpflichtenden Einführung bestätigten. Vom Büro Hofer wurde mitgeteilt, dass im Oktober 2018 eine Verlängerung des Projektzeitraums bis April 2019 beschlossen wurde, um die Ergebnisse der vergangenen beiden Winter vergleichen zu können. Nachweisen konnte man bereits eine Anpassung des Fahrerverhaltens, die man durch weniger Warnungen im Zeitverlauf erkennt. Sprich: Wer vom Assistenten gewarnt wird, fährt offenbar mit der Zeit defensiver.

Unabhängig von der Studie geht Leichtfried davon aus, dass die Technik so weit ist und die rechtlichen Möglichkeiten für die verpflichtenden Abbiegeassistenten gegeben sind. Alles andere seien Ausreden. Die Neos wollen heute im Wiener Gemeinderat die Schulwegsicherheit besprechen. „Wir fordern die Stadtregierung auf, die angekündigte Fördermillion für Abbiegeassistenten trotz der ablehnenden Haltung des Bundes zur Verfügung zu stellen. Denn jeder umgerüstete Lkw macht unsere Straßen sicherer“, so Klubchef Christoph Wiederkehr. Die Neos fordern für Gefahrenstellen auf Wiens Schulwegen einen Masterplan. Mit einem Sonderbudget von 13,8 Mio. Euro sollen heuer die drei größten Gefahrenstellen pro Bezirk entschärft werden.

AUF EINEN BLICK

In der Debatte um Lkw-Abbiegeassistenten wächst die Kritik an Verkehrsminister Norbert Hofer. Auch Aufnahmen des LKW-Sicherheitsgipfels vorige Woche deuten darauf hin, dass Resultate dieses Gipfels bereits vorab feststanden. Die SPÖ will das Thema Abbiegeassistent ins Parlament bringen, die Neos in den Wiener Gemeinderat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2019)

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