Appell: Politik soll Biolandwirtschaft forcieren

Dürre und Hitze treffen die Landwirtschaft hart, doch sie ist mitverantwortlich.
Dürre und Hitze treffen die Landwirtschaft hart, doch sie ist mitverantwortlich.(c) APA/HARALD SCHNEIDER
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Die Initiative Klimafreundliche Landwirtschaft verlangt einen höheren Bio-Anteil in der österreichischen Landwirtschaft, vermehrtes Tierwohl, Schutz der Biodiversität und mehr Förderungen für Biobauern.

Wien. Die österreichische Landwirtschaft ist nicht nur vom Klimawandel betroffen, sie ist mitunter dafür verantwortlich. Schuld daran sind laut der Initiative Klimafreundliche Landwirtschaft nicht die Bauern, sondern die Politik.

Die neue Bundesregierung wird entscheiden, wie Agrarförderungen von 2021 bis 2027 verteilt werden. Gestern, Dienstag, hat die Initiative ihre Forderungen an die Parteien übermittelt und will deren Reaktionen vor der Nationalratswahl veröffentlichen.

Klimawissenschaftlerin Helga-Kromp-Kolb, Fridays for Future, Greenpeace, Bio Austria, Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann, Arge Schöpfungsverantwortung, Tierschutzvolksbegehren und Umweltmediziner Hans-Peter Hutter haben sich zusammengeschlossen.

Agrar-Umweltförderungen

Um 640 Millionen Euro wurde das Budget für das Agrarumweltprogramm 2014 bis 2020 gekürzt. 2018 gab es in dieser Periode die letzte Einstiegsmöglichkeit in die geförderte biologische Landwirtschaft. Wer seinen Betrieb jetzt auf bio umstellt, muss auf Subventionen verzichten. Die Initiative fordert, dass die Umstellung auf Biolandwirtschaft jederzeit finanziell unterstützt möglich sein soll. Die Boku hat analysiert: Bis zu 18 Prozent der österreichischen Treibhausgasemissionen kommen aus der Landwirtschaft, rechnet man Emissionen wie Futtermittelimporte mit. Ohne Energieeinsatz und Transporte sind es zehn Prozent.
„Es fehlt der politische Wille, dass sich Bio weiterentwickelt“, sagt Gertraud Grabmann von Bio Austria. Seit das Ziel von 25 Prozent Biolandwirtschaft im Bund erreicht ist, herrsche Stagnation. Die Fördermittel für das, was Bauern für Tierwohl, Klima-, Biodiversitäts- und Umweltschutz leisten, müssen von 25 Prozent auf 50 Prozent der Gesamtmittel erhöht werden, heißt es. Das soll Bauern zum Wechsel motivieren.

Bio-Anteil

Bis 2027 sollen 35 Prozent der Anbaufläche biologisch genutzt werden. Das will die Initiative als Ziel im Strategieplan der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) verankert wissen. Denn Pestizide schädigen Umwelt und menschliche Gesundheit. Letztere leidet auch unter übermäßigem Fleischkonsum. „Qualitätsmerkmal eines Schnitzels ist nicht, dass es über den Tellerrand hängt, sondern dessen Erzeugung“, sagt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. „Eine deutliche Reduktion des Fleischkonsums wäre für uns auch wesentlich gesünder.“ Verglichen mit pflanzlichen Produkten verursacht Fleisch das Acht- bis 30-Fache an Schadstoffen. Äßen die Österreicher 20 Prozent weniger Fleisch, gingen die CO2-Emissionen um 30 Prozent zurück. Billiges Fleisch gebe es ohnehin nicht. Es werde nur billig angeboten. Den Preis zahlen Umwelt, Tierwohl und Existenz der Bauern.
„Gelangen Nitrat durch mineralische Stickstoff-Dünger, sogenannte Kunstdünger, oder Rückstände von chemisch-synthetischen Spritzmitteln in das Grundwasser, entstehen Kosten zur Wasseraufbereitung, die im Endeffekt der Steuerzahler trägt“, ergänzt Markus Leithner, Pressesprecher von Bio Austria. Laut einer von Sonnentor beauftragten Untersuchung gelangen jährlich 12.000 Tonnen chemische Spritzmittel in die Böden.

Biodiversität

Die Wildtier-Population ist hierzulande, so das Tierschutzvolksbegehren, seit 1986 um über 70 Prozent geschrumpft, hauptverantwortlich sei die industrialisierte Landwirtschaft. Insekten und Mikroorganismen in der Erde sind als Nahrung für Pflanzen essenziell. Mit chemischen Spritzmitteln, also Pestiziden und Herbiziden, werden in der konventionellen Landwirtschaft Unkraut und Schädlinge von außen abgetötet. Kunstdünger vernichten die winzigen Lebewesen in der Erde – und damit die Fruchtbarkeit der Böden. Bei der Produktion dieser mineralischen Stickstoffdünger entsteht Lachgas, das ca. 300 Mal klimaschädlicher sein soll als CO2 und durch den Einsatz aus dem Boden emittiert wird.
„In der Bio-Landwirtschaft muss man vorbeugen. Schädlinge werden mit Fressfeinden bekämpft, Schlupfwespen zum Beispiel fressen Blattläuse“, sagt Leithner. Die Fressfeinde können Biobauern kaufen. Alles, was sie einsetzen, muss aber bio sein. Nur, wenn das Futter knapp wird, dürfen sie auf Futtermittel von Betrieben zurückgreifen, die gerade auf Biolandwirtschaft umstellen. Es gibt eine eigene Börse für Futterknappheit. Damit die Biodiversität steigt, will die Initiative Maßnahmen auf jedem Bauernhof, Blühstreifen etwa oder reduziertes Mähen.

Öffentliche Einrichtungen

Was in universitären Mensen, in Kasernen, Justizanstalten und anderen öffentlichen Ausspeisungen für rund 1,9 Millionen Personen in Österreich täglich auf den Tisch kommt, beeinflusst den Markt. Die Initiative fordert deshalb 60 Prozent Bio-Anteil für die Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen. Wien ist bereits vorn dabei: In Kindergärten und Schulen werden zu 50 Prozent Mahlzeiten aus Biolebensmitteln serviert.

Tierwohl und -haltung

Für die klimafreundliche Landwirtschaft spielt Tierhaltung eine wesentliche Rolle. Wie viele Tiere gehalten werden dürfen, soll an Standort und Fläche gebunden sein – nicht nur für das Wohl der Tiere, sondern auch des Bodens, der durch Exkremente mit Stickstoff angereichert wird. Der Kraftfutteranteil soll reduziert, auf Soja aus Südamerika soll verzichtet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2019)

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