Kriminaltouristen müssen "Kaution" zahlen

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Um zu verhindern, dass Einbrecher sich dem Gerichtsverfahren entziehen, wird ab 1. August eine „Einbrecher-Kaution“ eingehoben. Wenn eine Bande beim Stehlen ertappt wird, soll sie eine Art Pfand hinterlegen.

WIEN. „Die Einbrecher machen sich hier wie die Heuschrecken über uns her.“ Mit diesen Worten kündigte Innenministerin Maria Fekter bereits im März 2009, im Interview mit der „Presse am Sonntag“, die Einführung einer „Einbrecher-Kaution“ an. Wenn etwa eine ausländische Bande beim Stehlen ertappt werde, solle sie eine Art Pfand („Sicherheitsleistung“) hinterlegen. So solle gewährt werden, dass sich die Verdächtigen dem Strafverfahren stellen – und nicht untertauchen oder sich ins Ausland absetzen. Mittlerweile ist die „Sicherheitsleistung“ gesetzlich geregelt, ab 1.August treten die diesbezüglichen Bestimmungen (sie finden sich in der Strafprozessordnung) in Kraft.

Ob diese neue Waffe gegen den Kriminaltourismus wirklich funktioniert, ist fraglich. „Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen zur „Einbrecher-Kaution“.

1Wie ist eine Sicherheitsleistung definiert, wozu dient sie?

Eine Sicherheitsleistung ist eine Art Kaution. Das kann Bargeld sein oder Gegenstände, die der dringend Verdächtige aber später „auslösen“ kann, wenn er die geforderte Geldsumme doch noch hinterlegt. Demnach könnte man einem Serieneinbrecher auch sein Auto abnehmen, sofern dies in Relation zu den verübten Taten steht. Sinn ist primär die „Sicherstellung der Durchführung des Strafverfahrens“ (§172a Strafprozessordnung). Auch soll gewährleistet sein, dass der Beschuldigte eine drohende Geldstrafe zahlen kann – oder die Kosten des Verfahrens. Auch für eine Entschädigung der Opfer soll die „Kaution“ herangezogen werden können.

2Von wem kann eine Sicherheitsleistung eingehoben werden?

Diese Frage sorgt vorab für Debatten. Weder Innen- noch Justizressort können derzeit Zahlen nennen – etwa in wie vielen Fällen künftig pro Jahr die „Einbrecher-Kaution“ schätzungsweise eingehoben werden könnte. Gröbere Fälle, in denen ohnedies U-Haft verhängt wird, kommen klarerweise nicht infrage. Und bei Bagatelldelikten wäre der Grundrechtseingriff nicht vertretbar. „Ich glaube nicht, dass die Sicherheitsleistung in der Praxis einen wesentlichen Anwendungsbereich haben wird“, kritisiert Strafrechtler Robert Kert vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien. Das Ganze sei eher ein Politikum, Motto: „Wir zeigen Härte gegen Kriminaltouristen.“ Bei EU-Bürgern, die einer entsprechenden Straftat verdächtig sind, genüge (sofern die Personalien feststellbar sind) der europäische Haftbefehl. Bei kriminellen Nicht-EU-Bürgern („Vielleicht Taschendiebe in der U-Bahn“) sieht Kert am ehesten ein Anwendungsgebiet.

3Wann wird die Sicherheitsleistung zurückgegeben?

Sobald das Strafverfahren beendet ist. Wird der Angeklagte zu einer Haftstrafe verurteilt, bekommt er die „Sicherheit“ erst zurück, wenn er die Strafe angetreten und die Verfahrenskosten beglichen hat.

4Wer bekommt die Sicherheit, wenn sie verfällt?

Grundsätzlich der Bund. Allerdings haben Opfer von Straftaten das Recht zu verlangen, dass ihre Entschädigungsansprüche aus der Sicherheit vorrangig befriedigt werden.

5Welche Probleme sind in der Praxis zu erwarten?

Noch herrscht bei Praktikern, etwa Kripobeamten oder Staatsanwälten, Unsicherheit über die neue Regelung. So ist nirgends klar geregelt, wie etwa mit „sichergestellten“ Autos umzugehen ist. Schließlich erwachsen dem Steuerzahler täglich Abstell- beziehungsweise Lagergebühren – und wenn diese während der Dauer eines monatelangen Strafverfahrens stetig steigen, macht der Rechtsstaat ein schlechtes Geschäft.

6Bestehen bereits vergleichbare Regelungen?

Ja. Es ist geltendes Recht, dass die Leistung einer „Sicherheit“ (Kaution) als gelinderes Mittel im Vergleich zur U-Haft gilt. Das heißt, es liegt im Ermessen des Haftrichters, einen Beschuldigten freizulassen, wenn dieser dafür Geld hinterlegt. Auch im Verwaltungsstrafrecht kennt man die Sicherheitsleistung. Wenn etwa ein Lkw wegen Überschreitung des zulässigen Ladegewichts gestoppt wird, muss der Lenker umladen, bis dahin kann die Polizei einen Geldbetrag einbehalten. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2010)

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