Als Auhirsch und Co. die SPÖ besiegten

Rückblick. Die Besetzung der Stopfenreuther Au in Hainburg 1984 hat das Land nachhaltig verändert. Die Aktion gilt als die Geburtsstunde der Bürgerinitiativen.

Wien/Red. Keinen Alkohol trinken. Die Au sauber halten. Jede Gewaltanwendung vermeiden. Alle Neuankömmlinge, die die Besetzer der Hainburger Au unterstützen wollten, mussten sich an diese drei Regeln halten. Sie kamen dennoch, und sie kamen zahlreich.

Die Besetzung der Stopfenreuther Au im Dezember 1984 begann harmlos, veränderte aber in der Folge das Land tiefgreifend. Die Gegner des Kraftwerkes – geplant war eine 500Meter große Staumauer, wobei mehrere Quadratkilometer Auwald gerodet werden sollten – organisierten einen Marsch in die Au. 5000Unterstützer, aus allen Ecken und Enden der Gesellschaft, nahmen teil. Sie wurden von der Hochschülerschaft, Greenpeace, Global 2000, dem WWF, Naturschutzbund und vielen anderen Organisationen mobilisiert – und wortkräftig von der „Kronen Zeitung“ unterstützt. Was mit einem Marsch begann, setzte sich mit der Besetzung der Au am 10.Dezember fort. Zuerst einige hundert, dann einige tausend.

Bereits vor den ersten Rodungen im Juli luden prominente Gegner des Kraftwerks zu einer „Pressekonferenz der Tiere“: Die Jungpolitiker Othmar Karas, Alfred Gusenbauer, Hubert Gorbach sowie Journalisten-Gewerkschafter Günther Nenning verkleideten sich als Blaukehlchen, Rotbauchunke, Auhirsch und Co. und gingen damit ebenfalls in die Geschichte des Landes ein. Bei der Konferenz wurde das Konrad-Lorenz-Volksbegehren vorgestellt, das später 353.900 Unterschriften erhalten sollte.

Schub für Grün

Höhepunkt der Besetzung war der 19.Dezember, als 800Beamte mit Knüppel gegen 3000Besetzer vorgingen. Über 20 Menschen wurden verletzt. Noch am selben Abend versammelten sich 40.000Menschen in Wien zu einer Solidaritätskundgebung. Über die Weihnachtsfeiertage verkündete Kanzler Fred Sinowatz (SP) schließlich einen Rodungsstopp und eine „Nachdenkpause“. Am 2.Jänner 1985 untersagt der Verwaltungsgerichtshof den Bau. Elf Jahre später wird die Au Teil des Nationalparks Donau-Auen.

Die regierende SPÖ steht den Besetzern wie gelähmt gegenüber, gibt klein bei. Die Besetzung der Au gilt auch als Geburtsstunde der Bürgerinitiativen – und als Geburtsstunde der Grünen. Die tatsächlich bereits 1982 gegründete Partei erhielt einen Popularitätsschub, der sie 1986 auch in den Nationalrat bringen sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2011)

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