Warum die Kultusgemeinde Israel klagt

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Ariel Muzicant will tausende Dokumente der jüdischen Gemeinde aus mehreren Jahrhunderten zurück, die in den 1970er-Jahren zwecks Forschung an Israel gingen.

Wien. Es ist eine einzigartige Aktion: Die Israelitische Kultusgemeinde Österreichs klagt den Staat Israel vor einem Gericht in Jerusalem. Konkret geht um die von der Wiener Gemeinde verlangte Rückgabe von tausenden Akten und Dokumenten jüdischer Österreicher von 1600 bis 1945.

Die Dokumente der von den Nazis beinahe vollständig ausgelöschten Gemeinde waren in den 1970er-Jahren von Wien nach Israel an die Central Archives for the History of the Jewish People gegangen, die zu einem Teil dem Staat und mehreren Universitäten gehören. Damals entschieden dies die Gemeindeväter der kleinen Gemeinde wohl auch, weil sie die Zukunft jüdischen Lebens und das unbestrittene Hauptquartier für jüdische Identität in Israel und nicht in Wien sahen – wie viele Wiener Juden.

Doch Ariel Muzicant denkt anders: Er bat beim Archiv in Jerusalem um Rückgabe der Dokumente ähnlich wie er dies – für wesentlich kleinere Positionen – etwa in Polen und Tschechien erfolgreich getan hatte. Doch in Israels wichtigstem Archiv des Judentums stieß er auf taube Ohren.

„Harter Weg“

„Es ist für uns als jüdische, sehr proisraelische Gemeinde sehr hart, in einen Kampf mit dem Staat Israel zu gehen, aber wenn es keine andere Möglichkeit gibt, wählen wir diesen harten Weg. Es ist ein Missvergnügen, aber wir werden nicht aufgeben. Wir wollen unser Material zurück“, erklärte Muzicant der israelischen Zeitung „Haaretz“. Muzicant argumentiert nicht nur, dass es sich um Eigentum der Gemeinde handle, sondern dass die Akten in Wien gut aufgehoben seien. Im Archiv in Jerusalem reagiert man perplex bis verärgert: Jahrelang habe man Dokumente gesichtet, sortiert, archiviert, die Arbeit und die freiwillige Übergabe des Materials machten das Archiv eindeutig zum Eigentümer.

Muzicant sieht das anders: Mit dem Material, das die Gemeinde hat, und den Unterlagen des Simon-Wiesenthal-Instituts könnte Wien durch die Jerusalem-Dokumente ein großes jüdisches Archiv mit begleitender musealer Verwertung bekommen, das er auf dem Morzinplatz sieht (siehe Bericht oben). Muzicant träumt seit Jahren, ein solches Haus zu schaffen und eventuell selbst zu leiten. Dafür bricht er ein jüdisches Tabu – eine Aktion gegen das offizielle Israel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2011)

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