Amstetten: "Neues Leben" für 19-jähriges Inzest-Opfer

(c) REUTERS (Heinz-peter Bader)
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Das Inzest-Opfer ist bereits fast völlig genesen. Die junge Frau soll sich normal weiterentwickeln können. Sie befindet sich im Moment schon bei ihrer Familie. Sie werden von den Medien abgeschottet.

Gute Nachrichten konnte Albert Reiter, Leiter der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Landesklinikums Amstetten, am Mittwoch vermelden: Laut Reiter ist das 19-jährige Inzest-Opfer von Amstetten bereits fast völlig genesen. Es sei damit zu rechnen, dass sie weitestgehend gesund und sich normal weiterentwickeln werde.

Am 19. April war sie in lebensbedrohlichem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden, durch das Versagen mehrerer lebenswichtiger Organe hing ihr Leben an einem seidenen Faden. Mit den Maßnahmen der modernen Intensivmedizin sei es gelungen, die Funktionen wieder herzustellen. Ab 12. Mai konnten die Medikamente vorsichtig reduziert werden - am 15. Mai zu Mittag öffnete die junge Frau erstmals die Augen und zeigte emotionale Reaktionen, indem sie uns anlächelte, sagte Reiter.

"Ich sagte 'Hallo', sie sagte 'Hallo'": Der Eintritt der 19-Jährigen "in ein neues Leben" sei ein berührender Augenblick am Ende eines langen Leidensweges gewesen. Am Sonntag, dem 1. Juni, bei der Frühvisite um 9.00 Uhr war der Moment gekommen, wo der Patientin die Kanüle entfernt werden konnte, über die sie mehrere Wochen künstlich beatmet worden war.

Alles "wie am Schnürchen gelaufen"

Besonders wichtig war in dieser Phase, dass die Mutter regelmäßig ans Krankenbett kam und ihre Tochter durch ihre Liebe zu Aktivitäten, zum "Mitmachen" an ihrer Genesung, motivierte. Noch im Bett liegend erfolgte die Mobilisierung, eine Logopädin bereitete die 19-Jährige auf das Schlucken der Speisen (nach der Entfernung der Schläuche) vor. Es sei alles "wie am Schnürchen gelaufen".

Nach der Entfernung der Kanüle "ging alles sehr schnell", beschrieb Reiter die täglichen großen Fortschritte, bis sie dann am 8. Juni - im Krankenwagen sitzend, zu ihrer Familie ins Landesklinikum Amstetten-Mauer transportiert werden konnte: Der Primar sprach von einem "besonderen Augenblick", als sie beide die Schwelle zur neuen Wohnung überschritten und damit "in ein neues Leben" eintraten.

Reiter war es ein Anliegen, nicht nur seinem gesamten Team - Ärzten, Schwestern, Pflegern und Putzfrauen - zu danken, sondern auch Klaus Schwertner, Sprecher der NÖ Landesklinikenholding: Ihm sei die Abschirmung der Familie vor den Medien gelungen, so dass die Mutter, vor Kameras geschützt, nahezu täglich zu ihrer Tochter gebracht werden konnte.

Gespaltene Familie mit zwei Tempi

Im Krankenhaus Mauer kümmert sich ein multiprofessionelles Team um die Familie, deren zwei Teile (jene Kinder, die im Verlies aufwuchsen und jene, die der Verdächtige als "Findelkinder" bei sich aufnahm, Anm.) sich durch "unterschiedliches Lebenstempo" auszeichnen, erläuterte der ärztliche Direktor Berthold Kepplinger: Den einen, die bisher ein "normales" Leben führten, gehe alles zu langsam, den anderen zu schnell, den einen sei fad, den anderen "reichen kleine Neuigkeiten". Die bisher eingesperrten Kinder bestaunen eine vorbeiziehende Wolke, die die anderen gar nicht wahrnehmen. Vereinzelte Spaziergänge würden unter ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen unternommen.

Drei Lehrkräfte geben Unterricht, der älteste Sohn entwickle sich überraschend gut. Die 19-Jährige wird physiotherapeutisch behandelt, u.a. stehen Kräftigungsübungen am Programm. Sie könne lesen und schreiben und sei "sehr gut" in der Kommunikation. Sie habe auch schon Wünsche geäußert: Sie will eine Schifffahrt machen und ein Robbie Williams-Konzert besuchen.

Ob der Verdächtige - Großvater bzw. Vater - ein Thema sei? "Natürlich", sagte Kepplinger. Die Ambivalenz sei sehr groß, vor allem bei den Mädchen. Aus therapeutischer Sicht sei eine Befragung der Familienmitglieder als Zeugen noch nicht möglich, stellte Opferanwalt Christoph Herbst fest. Der Zeitpunkt werde von der Staatsanwaltschaft St. Pölten in Absprache mit den Therapeuten festgelegt werden. Einen geschlossenen Auftritt der Familie in der Öffentlichkeit lehne die 42-Jährige im Moment ab.

(APA)

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