Papst: "Ich weiß, wie ihr gelitten habt und noch leidet"

Papst Benedikt XVI
Papst Benedikt XVI(c) AP (MUHAMMED MUHEISEN)
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Bei seiner eintägigen Stippvisite im Westjordanland solidarisierte sich Papst Benedikt XVI. mit dem Leid der Menschen unter Besatzung. Er anerkennt das Recht der Palästinenser auf einen souveränen Staat.

JERUSALEM. Bei seiner eintägigen Stippvisite im Westjordanland solidarisierte sich Papst Benedikt XVI. mit dem Leid der Menschen unter Besatzung. Die Palästinenser hätten das Recht auf einen souveränen Staat in dem Land ihrer Vorfahren, wo sie in Frieden mit den Nachbarn und in international anerkannten Grenzen leben sollen. Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas empfing Benedikt am Mittwoch in Bethlehem, wo er vor knapp 10.000 begeisterten Christen vor der Geburtskirche eine Messe abhielt.

Der strikt als Pilgerreise angekündigte Besuch des Papstes im Heiligen Land nahm in der Geburtsstadt Christi deutliche politische Züge an. „Ich weiß, wie ihr gelitten habt und noch leidet“, meinte Benedikt. Während der Messe erntete er unüblichen Applaus, als er auf die Menschen in Gaza zu sprechen kam, die nach dem Krieg vor der schweren Aufgabe der Aufbauarbeit stünden. Der Papst forderte die Aufhebung des Embargos und internationale Hilfe, um die „Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser zu reparieren, die während der jüngsten Kämpfe Schaden genommen haben“. Die israelischen Sicherheitsbehörden hatten rund einhundert Ausreiseanträge von Christen aus dem Gazastreifen bewilligt. Gekommen war nur etwa die Hälfte.

Benedikt appellierte an die palästinensischen Christen, sich von den schweren Lebensbedingungen nicht vertreiben zu lassen, sondern stattdessen eine „Brücke“ zu bilden im Dialog. Die Verheißung der „Wiedergeburt, Erneuerung und Freiheit“ scheine im palästinensischen Gebiet „so fern von ihrer Verwirklichung zu sein“, sagte er und mahnte vor allem seine jungen Zuhörer zur Abkehr von Gewalt und Terrorismus.

Die Christen machen schon heute nur noch gut zwei Prozent der Gesamtbevölkerung aus, dabei nimmt ihre Zahl weiter stetig ab. Zwischen 150.000 und 200.000 liegt die Zahl, Israel und die Palästinensergebiete zusammengerechnet. Grund dafür ist einerseits die im Verhältnis zu ihren muslimischen Landsleuten geringere Geburtenrate, zum anderen ihre sozioökonomische Situation. Wer kann, geht ins Ausland.

Palästinenser-Präsident Abbas verwies auf die „immer neuen Mauern“, die gerade in Bethlehem von der Besatzungsmacht errichtet werden und die zahlreiche Palästinenser daran hindern, die heiligen Stätten in Jerusalem zu erreichen. Der Papst selbst musste mit seiner Autokolonne einen Straßenkontrollpunkt passieren, um von Jerusalem nach Bethlehem zu gelangen.

„Unfreiwillig in Hitlerjugend“

Auf israelischer Seite war der Besuch des Papstes nicht so geglückt verlaufen, wie es sich die israelischen Gastgeber gewünscht hätten. Auch gestern dauerte die kontroverse Debatte um die Rede Benedikts in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem an, in der er sich zwar gegen den Antisemitismus stellte, eine klare Schuldzuweisung und das Eingeständnis der Mitschuld der Kirche, wie sie sein Vorgänger Papst Johannes Paul II. zugegeben hatte, aber vermied. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi hatte alle Hände voll zu tun, den Unmut beizulegen.

Nachdem Lombardi ursprünglich auch behauptet hatte, Benedikt sei „nie, nie, nie“ in der Hitlerjugend gewesen, räumte er ein, der heutige Papst habe damals „unfreiwillig“ mitmachen müssen. Das belegt auch eine Untersuchung des Archivs der Erzdiözese München. Ab 1941 war die Mitgliedschaft in der Hitlerjugend Pflicht. Joseph Ratzinger, Sohn eines Regimegegners und damals Schüler im Traunsteiner Studienseminar, wurde an seinem 14. Geburtstag angemeldet. Benedikt erwähnt dieses Kapitel selbst in seiner Autobiografie.

Heute ist in Nazareth die große Abschlussmesse geplant. Es wird der letzte Akt der polizeilichen Großaktion werden, der „Operation weiße Robe“, für die 80.000 Beamte im Einsatz sind. Die „Islamische Bewegung Nordabschnitt“ hatte schon im Vorfeld zum Boykott des Papstes aufgerufen. Solange er sich nicht für das Mohammed-Zitat entschuldige, brauche er nicht zu kommen, hieß es.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2009)

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