Visionen und Vandalenakte: Viel Gegenwind am „Campus der Religionen“

Die Presse
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Ein Ort, an dem Religionen friedlich koexistieren – was nach einer Utopie klingt, möchte der Architekt Harald Gnilsen in Aspern verwirklichen. Trotz erneutem Vandalismus am Bauplatz und der großen Frage nach der Finanzierung.

Harald Gnilsen hat eine Vision. Von acht Gotteshäusern und einer friedlichen Koexistenz der Religionen. Vor knapp zehn Jahren kam dem Baudirektor der Erzdiözese Wien die Idee zu einem „Campus der Religionen“ in der Seestadt Aspern. Wand an Wand sollen dort Kirchen neben Moscheen gebaut werden.

„Es soll ein Ort entstehen, an dem sich die Glaubensgemeinschaften annähern – auf Augenhöhe“, sagt Gnilsen. Vielleicht mit gemütlichen „Enzis“ wie im Museumsquartier, jedenfalls aber ellipsenförmig angeordnet. „Ein Kreis hat eine hervorhebende Mitte und genau das wollen wir vermeiden.“ Bisher ist das aber Zukunftsmusik, am Baugrund wehen zurzeit nur Fahnen im Wind – eine für jede teilnehmende Gemeinschaft, die Flagge der EU und die Landesfahne.

Erneuter Vandalismus am Bauplatz

(c) Stephan Doleschal

Seit kurzem sind in Aspern jedoch zwei Fahnen weniger gehisst, denn die Pläne des Architekten stoßen auf Gegenwind. Am Montag wurde bekannt, dass die Fahnen der Israelitischen Kultusgemeinde und der Neuapostolischen Kirche „heruntergerissen und entwendet“ wurden. Bereits zum dritten Mal wurde damit am „Campus“ randaliert: Schon im Mai und kurz vor Projektstart im Jahr 2015 zerstörten Unbekannte die jüdische Flagge.

"Wir werden die Fahne immer wieder aufhängen - hoffentlich ist das in nächster Zeit aber nicht wieder nötig", sagte Fastenbauer, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde, nach dem zweiten Vandaleakt zur "Presse". Eine einzige jüdische Fahne hatte Harald Gnilsen damals noch in seinem Auto verstaut – die letzte auf Vorrat. „Hier in Aspern geht ein starker Wind, deshalb haben wir schon in Voraussicht Ersatzfahnen produziert“, sagte der Architekt.

Mit Bürgermeister Michael Ludwig hat der geplante Campus einen großen Unterstützer. Mehrmals verwies der ehemalige Wohnbaustadtrat öffentlich auf das Projekt, unter anderem auch in seiner Antrittsrede als Bürgermeister. „Wir haben die Chance, Religionen zusammenzuführen und Frieden zu schaffen", so Ludwig. „Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung“, sagt Gnilsen. Ein politisches Projekt soll der "Campus" aber keinesfalls werden. Ziel sei es nach wie vor, den Zusammenhalt zwischen den österreichischen Glaubensgemeinschaften zu stärken. Trotz Vandalismus und der großen Frage nach der Finanzierung.

Wer wird zahlen?

Jede der gemeldeten Glaubensgemeinschaften im Land hätte Gnilsen im Vorfeld kontaktiert, acht von ihnen wollten Teil des Projektes werden. Ihnen will Gnilsen nun ein eigenes Gotteshaus bauen. Um die Vielfalt der Religionsgemeinschaften darzustellen“, sagt er. Aber nicht alle Religionsgemeinschaften scheinen Bedarf zu sehen: Die Israelitische Kultusgemeinde Wien sieht die Errichtung einer weiteren Synagoge in der Stadt als nicht notwendig – es gebe bereits genügend Gebetshäuser. Wir sind mit unserer Fahne nur symbolisch am Projekt beteiligt, sagt Fastenbauer. Geld in das Projekt zu investieren sei aber nicht geplant.

Auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ibrahim Olgun, gibt sich vage: „Wenn die anderen Gemeinschaften zahlen, werden auch wir unseren Teil beitragen.“ Die Stadt Wien spricht von einem „interreligiösen Vorzeigeprojekt“ – konkret zu geplanten Förderungen möchte man sich jedoch ebenfalls nicht äußern.

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