Islamkritiker: „Die Krankheit ist im Herzen des Islam verankert“

Muslim pilgrim reads the Koran on Mount Mercy on the plains of Arafat during the annual haj pilgrimage, outside the holy city of Mecca
Muslim pilgrim reads the Koran on Mount Mercy on the plains of Arafat during the annual haj pilgrimage, outside the holy city of Mecca(c) REUTERS
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Für den Islamkritiker Hamed Abdel-Samad sind die Gräuel des IS eine „Lesart, kein Missbrauch“ des Islam.

Wien. Hamed Abdel-Samad ist einer von Deutschlands schärfsten Islamkritikern – und einer der populärsten. Das mag auch daran liegen, dass er weiß, wovon er spricht: Schließlich war Abdel-Samad selbst einmal Muslimbruder, hielt die Deutschen für schreckliche Rassisten und wurde allein durch den Anblick von Schweinefleisch wütend, wie er einmal erzählte. Heute ist das anders. Der Muslimbruderschaft hat er den Rücken gekehrt, mit „seiner“ Religion geht er heute hart ins Gericht wie kaum jemand. Der Preis dafür sind Todesdrohungen und ein Leben unter Polizeischutz.

Was Abdel-Samad nicht daran hindert, seine Thesen unters Volk zu bringen: etwa jene, dass der Islam an sich faschistoid sei, nach der Weltherrschaft trachte und die Grundlage für die Gräueltaten biete, die der Islamische Staat derzeit in Syrien und im Irak verübt. „Die türkische AKP, die Salafisten, die Muslimbrüder, das ist alles die gleiche Sauce“, sagte Abdel-Samad am Donnerstagabend bei einer Diskussion in der Arbeiterkammer.

Jenen, die die Taten des IS als Fehlinterpretation oder Pervertierung des Islam sehen, erteilt der Ägypter eine Abfuhr. Schließlich könnten sich die Islamisten dabei direkt auf den Propheten Mohammed berufen, der seine Religion mit dem Schwert durchgesetzt habe, sowie auf den Koran. Was IS betreibe, sei daher „eine Lesart, kein Missbrauch“ der Religion. „Die Krankheit ist im Herzen des Islam verankert.“ Der IS müsse gar nichts interpretieren. Interpretieren müssten vielmehr jene muslimischen Theologen, die den Islam als an sich friedlich und unproblematisch darstellen. „Aber die Tatsache, dass ihre Interpretationen uns sympathischer sind, macht sie noch lange nicht richtig.“

Was nicht bedeute, dass alle Muslime Radikale seien. Viele Muslime, so Abdel-Samad, seien friedliche Menschen, die der politischen Komponente ihrer Religion entsagt hätten. „Sie sind aber nicht friedlich, weil sie Muslime sind, sondern, obwohl sie Muslime sind.“ Viele von ihnen hätten etwas dagegen, dass Menschen in islamischen Ländern Hände abgehackt und Köpfe abgeschlagen würden. „Aber der Islam hat nichts dagegen.“

Für die westlichen Gesellschaften seien diese friedlichen Muslime eine Chance. Aber anstatt ihnen die Hand zu reichen, stärke die Politik die konservativen Islamverbände, indem sie sie als Vertreter aller Muslime betrachte. Das Kalifat, der Islamismus, die Einführung der Scharia, die Gesetze Gottes, die nicht verhandelbar seien: Das sei laut Abdel-Samad der „Mainstream-Islam.“

Abdel-Samad fordert daher auch das Ende des Islamunterrichts in den Schulen. „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Kindern religiöse Wahrheiten zu vermitteln.“ Denn eines ist für ihn klar: „Religion ist Privatsache.“ (hie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2014)

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