Milchskandal in China während Olympia vertuscht

Zwei Mädchen warten darauf, auf Nierensteine geprüft zu werden.
Zwei Mädchen warten darauf, auf Nierensteine geprüft zu werden.(c) AP
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Die Verseuchung der Milch ist den Behörden seit 2. August bekannt. 53.000 Kinder sind durch die Chemikalie Melamin erkrankt. Ab heute werden auch in Österreich Kontrollen durchgeführt.

Der Skandal um giftiges Melamin in Baby-Milchpulver ist schon Anfang August einer Behörde in China gemeldet worden: Bereits am 2. August - sechs Tage vor Beginn der Olympischen Spiele - soll das hauptbetroffenen Unternehmen Sanlu den Behörden in der Provinz Hebei die Verseuchung der Milch mit der Chemikalie Melamin gemeldet haben. Davor hat Sanlu "die Verseuchung seines Baby-Milchpulvers über Monate hinweg vertuscht", zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua aus einem ersten offiziellen Untersuchungsbericht.

Die Behörden hätten die Information nicht weitergegeben und auch keine Maßnahmen ergriffen, berichtet das staatliche chinesische Fernsehen am Montag. Der verantwortliche Bürgermeister wurde am Montag entlassen, berichtete Xinhua. Außerdem ist der Leiter der Behörde für Qualitätssicherung zurückgetreten.

Alle Verantwortlichen sollten zur Rechenschaft gezogen werden, um zu verhindern, dass sich ein solcher Skandal wiederhole, erklärte Ministerpräsident Wen Jiabao: "Die Regierung begreift den Zwischenfall als Warnung und wird die Bemühungen um die Lebensmittelsicherheit verstärken", sagte Wen.

53.000 erkrankte Kinder

In China sind fast 13.000 Kleinkinder in Krankenhäuser eingeliefert worden, weil sie Milch aus verseuchtem Milchpulver getrunken hatten. Dies teilte das chinesische Gesundheitsministerium mit. Weitere 40.000 Kinder werden ambulant behandelt. 80 Prozent waren demnach maximal zwei Jahre alt, fast keines ist älter als drei Jahre. 104 Kleinkinder sind schwer erkrankt. Das Milchpulver war mit Melamin versetzt, das zu schweren Nierenerkrankungen führt, an denen bereits vier Säuglinge starben. Taiwan stoppte sämtliche Importe chinesischer Milchprodukte und Proteine aus Angst vor Verunreinigungen.

Kontrollen in Österreich

In Österreich gibt es bisher "keine Hinweise auf verseuchte Milch", sagte Ulrich Herzog, der Bereichsleiter Verbrauchergesundheit im Gesundheitsministerium. Seit Montag werden in Österreich wie im gesamten EU-Raum chinesische Lebensmittel, die Milch enthalten, in Schwerpunktkontrollen untersucht - "als vorbeugende Maßnahme", wie Herzog betonte.

Neben China-Restaurants und Asien-Shops sind auch Fitness-Center im Visier der Kontrolleure, da sie proteinhaltige Nahrungsersatzmittel vertreiben. Nur Milchprodukte, die tatsächlich aus China stammen, müssten kontrolliert werden, sagte Herzog. "Die meisten Artikel asiatischer Geschäfte stellen kein Risiko dar, da sie in Holland oder Großbritannien erzeugt werden." Aufschluss über die Herkunft gebe das Genusstauglichkeitszeichen.

Die Proben gehen zur Analyse an die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Herzog erwartet im Lauf der Woche erste Ergebnisse, zudem würden auch die Untersuchungen anderer EU-Staaten Aufschluss über das tatsächliche Risiko geben.

Chinesische Milch in EU unwahrscheinlich

Seit 2002 verbietet die EU bereits die Einfuhr von Milchprodukten aus China, aufgrund der Differenzen bei Verbrauchergesetz und Tierschutz. Die Einfuhr sei auf illegalen Transportwegen dennoch denkbar, gefährlich seien außerdem "dubiose Grauimporte" übers Internet: "Hier ist die Herkunft oft nicht ersichtlich", sagte AGES-Sprecher Oskar Wawschinek. Eine Beimischung bei importierten Fertigprodukten mit einem hohen Anteil an Magermilch oder bei Nahrungsergänzungsmitteln für Sportler sei "grundsätzlich denkbar". Melamin in heimischen Milchprodukten sei jedoch "äußerst unwahrscheinlich". Herzog bezeichnet die hierzulande angebotene Babynahrung als "absolut sicher".

Die geringe Wahrscheinlichkeit, dass österreichische Milch Melamin enthalte, erklärt Wawschinek durch das "reichlich und billig vorhandene" natürliche Milcheiweiß. Anders ist laut Wawschinek die Situation in China: Die hohe Nachfrage und die geringe Produktion von Milch treiben die Preise in die Höhe und "setzen kriminelle Energien frei". Herzog sieht als Problem, dass China den Skandal verschleppt habe.

(Ag./Red.)

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