Pamplona: Stierhatz finanziert Seniorenheim

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Bei der achttägigen Bullenjagd in Pamplona wurden 500 Menschen verletzt sowie zehn Teilnehmer aufgespießt. Veranstaltet wird die Fiesta vom „Haus der Barmherzigkeit“.

Madrid/Pamplona. Nach dem Ende der umstrittenen Stierhatz von Pamplona hat das Rote Kreuz eine blutige Bilanz gezogen: In den acht Bullenhatzen, die in den vergangenen Tagen in der nordspanischen Stadt stattfanden, wurden über 500 Menschen verletzt. Zehn der Läufer, die mit den Stieren durch die engen Gassen rannten, wurden aufgespießt – überlebten aber. Die meisten Verletzten erlitten blaue Flecken, Knochenbrüche oder Prellungen, weil sie bei der Bullenjagd stürzten oder niedergetrampelt wurden.

Die insgesamt achttägige Stadtfiesta von Pamplona ist das berühmteste und wohl auch fragwürdigste Volksfest Spaniens. Höhepunkt sind die Stiertreiben, bei denen jeden Morgen sechs weiß-braune Leitstiere und sechs schwarze Kampfbullen über eine 850 Meter lange abgesperrte Strecke zusammen mit tausenden Menschen durch die Altstadt bis zur Arena rennen. Auf dem Kampfplatz werden die Stiere am Abend von Toreros getötet.

Fragwürdige Allianz

Zu einem Sicherheitsrisiko werden zunehmend jene Freizeit-Toreros, die versuchen, bei der Jagd durch die Gassen auch noch Selfies von sich und den Stieren zu machen. Obwohl dies streng verboten ist, schossen auch dieses Jahr wieder etliche Läufer mit ihrem Handy ein Foto vor den Hörnern der heranrasenden Bullen. Wer bei derlei Kamikaze-Aktionen erwischt wird, muss bis zu 3000 Euro Strafe bezahlen. „Sie setzten ihr Leben aufs Spiel und gefährden damit zudem die anderen Läufer“, empört sich Jokin Zuasti, ein erfahrener Veteran, der jedes Jahr mit den Stieren rennt.

Kurios bleibt unterdessen, dass dieses blutige Spektakel von einer privaten Stiftung für Altenhilfe organisiert wird. Das „Haus der Barmherzigkeit“, wie die gemeinnützige Organisation heißt, betreibt die größte Seniorenresidenz der Stadt. Ein Heim mit 574 Wohn- und Pflegeplätzen, in dem vor allem armen und ausgegrenzten Senioren ein Dach über dem Kopf geboten wird – und dessen Finanzierung mit den Einnahmen der morgendlichen Stiertreiben und der abendlichen Kämpfe in der 20.000 Zuschauer fassenden Arena subventioniert wird. Das Stierfest spült jedes Jahr rund drei Millionen Euro in die Kasse der Altenhelfer.

Seit annähernd einem Jahrhundert bilden Barmherzigkeit und das, was viele Kritiker Barbarei nennen, eine fragwürdige Allianz in Pamplona. Damals, in den 1920er-Jahren, bot das Rathaus dieser „Stiftung der Barmherzigkeit“ an, die Stierkämpfe und -treiben in der Stadt zu organisieren und so eine Einnahmequelle für die Sozialarbeit zu erschließen.

Trotzdem bleibt diese Art der karitativen Veranstaltung für die Tierschützer ein „Folterfest“. Auch heuer wurde gegen die Bullenjagd demonstriert, auf Plakaten stand zu lesen: „Stiere zum Vergnügen zu quälen gehört ins Mittelalter, aber nicht ins 21. Jahrhundert.“ Aber nicht nur deswegen bleibt die jährliche Stierhatz, die im spanischen Fernsehen live und zur Frühstückszeit übertragen wird, umstritten: Eine große Zahl von Übergriffen auf Frauen, die von wild gewordenen Männercliquen angegriffen werden, hat dieser Fiesta den Ruf eingebracht, ein „Macho-Fest“ zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2015)

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